Mushu lag auf dem Rücken, alle viere nach oben gestreckt und rodete die Wälder. Sein Maul war leicht geöffnet und er sabberte auf sein Kissen, was bei einem Drachen durchaus dramatisch aussah. Jedesmal, wenn ein kleiner Tropfen auf den Stoff traf, zischte es und der Speichel ätzte sich hindurch bis zur Federkernmatratze.
Man muss einiges über Drachen wissen, um mit ihnen leben zu können. So sind ihre Sinne zum Beispiel weit aufmerksamer als die jedes anderen Tieres.
Fulli hatte sich vorsorglicherweise eine menge Informationsmaterial in der Bibliothek zurecht gelegt. Vermutlich ein Grund, warum Muhi und das Schaf in den letzten Tagen viel gelesen hatten.
Es gab eine menge Sagen, in denen Drachen mit offenen Augen schliefen, um Gegner zu täuschen, die des Nachts in eine Höhle voller Gold schleichen wollten.
Mushus Augen hingegen waren geschlossen und er träumte hingebungsvoll von seinem Hort, vermisste das angenehme Klimpern seines goldenen Bettes aus unzähligen Schätzen, Münzen und Edelsteinen.
Wenn Du einen Drachen fangen willst, locke ihn mit Glasperlen in der Sonne.
Oder aber warte, bis er richtig tief schläft.
Jetzt, Muhi!, war das erste, was Mushu hörte, als er schlagartig aufwachte. Quiekend drehte er sich um, doch da schnappte schon eine riesige Hufe nach ihm und hielt ihn fest.
Was...wer...waaaah!, heulte er, doch Muhi stopfte ihn schon in einen Sack.
Okay, sagte Sheep leise. Weiter jetzt.
Die Kuh zögerte, hielt den Beutel eine Kuharmeslänge von sich, beobachtete kritisch das zappeln und ruckeln im inneren.
Lasst mich raus, ihr Idioten! Oder ich mach Asche aus euch!
Schafi, er wird sauer!
Na und? Das Ding ist feuerfest.
Ja, so stand es auf dem Etikett. Aber glaubst Du das wirklich?
Ein leise fauche war zu hören, dann kräuselte Rauch aus dem Beutel. Ein ersticktes Husten war zu hören.
Sheep näherte sich dem Beutel und hielt sein Maul dicht an dem feuerfesten Stoff.
Hab's Dir ja gesagt, es hält.
Aber es wird verteufelt heiß!, beschwerte sich die Kuh.
Das Schaf zuckte mit den Achseln. Wenn Du weiter Feuer spuckst, machst Du Dir nur selbst Ärger, Mushu, sagte er zu dem Sack. Wir tun Dir nix. Wir brauchen Dich nur für eine kleine Mission. Okay?
Der Drache drehte sich in dem Beutel und holte mit seinen Hinterläufen aus. Sheep ächzte, als ihn der Tritt genau in die Schnauze traf.
Das Dumme Biest will nicht kooperieren, Muhi!
Die Kuh schaute gleichgültig auf den Beutel, dann schlug er ihn einige Male gegen die Wand.
Als der Sack endlich aufhörte, sich zu wehren, hielt die Muhkuh ihn vors Gesicht. Kooperation?, fragte er.
Ko...Kooperation, stöhnte es aus dem Sack.
Na also, freute sich Muhi und verließ mit dem Schaf den Schlafraum. Murrend rieb sich Sheep die Schnauze.
Draußen vor der Tür wartete Ryo und schaute die beiden Paarhufer fragend an.
What about a nitty Mag-Lite?, fragte er. Doesnt you guys have a weapon locker or an equipment room here anyway?
Sure we have!, sagte Muhi. But they are all locked up at night!
So why not break in?
Its one thing to steal some flowers, antwortete das Sheep. But quite another to betray our clanleader.
Ryo kratze sich am Kinn. Valid Point, sagte er und folgte den beiden zum Innenhof des C-Gebäudes.

Die Nacht war Mondlos und der Himmel mit dichten Wolken bedeckt. Die Beleuchtung war im ganzen Block ausgeschaltet. Er wurde außer ab und an zu Trainingszwecken nie benutzt.
Stockdunkel lagen die Flure vor ihnen, man konnte die Hand vor Augen nicht sehen.
Es war totenstill, zumindest für einen Augenblick, bis auf einmal Laute Musik erscholl. Der Titelsong von Mission: Impossible ertönte und hallte von den Betonmauern wider.
Sheep und Ryo hielten sich die Ohren zu.
Muhi, was zum Teufel soll das?
Die Kuh schaute ihn schüchtern an. Ich dachte, ich bringe uns in die richtige Stimmung. Der Song passt doch ideal!
Ach, findest Du? Gib mir mal kurz Deinen Ghettoblaster.
Muhkuh zerrte das riesige Beschallungsgerät aus seinem Rucksack und reichte ihn mit neugierigen Blick dem Schaf.
Sheep nahm den Wummer, schaute mit zusammengekniffenen Augen auf die Boxen, dann holte er aus und schleuderte das Gerät zu Boden, wo es krachen in tausend Stücke zerbrach. Wimmernd verstummte die Musik.
Entsetzt schaute Muhi ihn an. Das Schaf erwiderte den Blick erzürnt. Hast Du auch nur die leiseste Ahnung, was Heimlich bedeutet? Glaubst Du, wir ziehen uns zum Spaß Strümpfe über die Hufen? Und warum hab ich mein Fell geschwärzt und euch die hellen Flecken weggemalt, hä?
Aber die Stimmung...
Ich geb Dir gleich Stimmung, wenn Du nicht endlich leise bist!
Ryo schüttelte den Kopf. All the world told us about your superior special forces, sagte er. I really wonder why...
Were just mammals, knurrte das Schaf und schlich den Gang weiter, bis er gegen eine Säule stieß.
Muhi, gib mir den Sack.
Ein Rascheln hinter ihm, dann strich etwas über sein Fell.
Er tastete nach hinten, ergriff den Beutel und zerrte an den Bändern. Dann griff er hinein, spürte, wie ein Drache wütend nach seiner Hufe schnappte.
Sheep packte den Kopf, zerrte ihn ein wenig aus dem Beutel und schnürte ihn wieder zu. Jetzt schaute lediglich Mushus Kopf heraus, und das ziemlich griesgrämig.
Was siehst Du?
Einen Trottel, der sich als Schaf verkleidet hat.
Idiot! Ich meinte vor uns!
Zwei Säulen, einen langen Gang, etwa Fünfzehn Meter, dann einen kleinen Raum.
Okay. Ich bin grad gegen eine Säule gestoßen. Links oder rechts?
Die ist rechts vor Dir.
Danke, sagte Sheep und ging los.
Es gab ein dumpfes Pochen und ein Wimmern und Rascheln, als Schaf sich den Kopf rieb. Mushu seufzte. Rechts hatte ich gesagt, nicht Links! Kannst Du das nicht unterscheiden, oder was?
Hatte ich schon immer Probleme mit, presste das Schaf hervor und machte einen vorsichtigen Schritt nach Links, dann ging er weiter, zuerst vorsichtig, dann ein wenig schneller.
Hinten an seinem Schwanz hielt sich Muhi fest und an dessen Schwanz Ryo.
Is he really a dragon?, fragte das irische Vieh ungläubig.
Kind of, meinte Muhi und zuckte mit den Schultern. He kann spit fire and see in the dark.
My dear mom is able to do the same, meinte Ryo. He is a little bit small for a dragon, isnt he? I mean, Ive seen lizzards about the double size of...
Ive heard that!, rief Mushu von weiter vorne mit ärgerlicher Stimme.
Sheep biss die Zähne zusammen. Wieso ist es nicht möglich, die kleine Herde still zu bekommen? Selbst Weiden waren nachts leise. Aber die kleine Truppe hier konnte sogar noch von Noise wecken!
Er konnte nur hoffen, dass wirklich keiner da war.
Schaf zählte die Schritte, blieb dann stehen.
Und jetzt, Mushu?
Na ja, ein kleiner Raum, Vier Gänge in jede Richtung. Ne Art Kreuzgang, würd' ich sagen.
Welcher führt zu einem Hof?
Geh ein wenig in die Mitte, bat Mushu.
Sheep trabte ein Stück nach vorne. Und drehte sich langsam, bis der Drache Halt! sagte. Dieser hier. Genau vor Dir. Seltsam, es riecht nach Tulpen.
Hinter ihm kicherte Muhi. Dann sind wir richtig.
Sagt mal, meinte das Reptil im irritierten Gleichmut. Ich will mich ja nicht beschweren. So ein nächtliches Abenteuer, während ich hätte tief und fest schlafen können, ist spitze, ehrlich Jungs. Aber warum bei allen Göttern macht ihr nicht einfach das Licht an?!
Weil man das von draußen sehen kann, antwortete das Schaf.
Dieser Komplex hat nur einen Hauptschalter, der gleich alle Lichter anmacht. Hier hat noch keiner Leitungen gelegt.
Außerdem glaube ich, Sintenel hat eine Alarmleuchte installiert, die angeht, sobald hier jemand den Schalter umlegt.
Dem Drachen dämmerte es. Das ganze hier macht ihr nur, um dem Holländer seine Tulpen zu stehlen?, kreischte er aufgebracht.
Das ist ein billiger Raubzug? Mehr nicht?
Langsam, mein schuppiger Freund, erwiderte Muhi. Es geht hier immerhin um Tulpen.
Jaaah, sabberte das Schaf und seine Augen glänzten verzückt in der Dunkelheit. Schöne, saftige, wohlschmeckende Tulpen...
Und ihr zieht mich da hinein?, der Drache wand sich in seinem Beutel. Lasst mich sofort raus! Ich will damit nix zu tun haben! Ich bin ein ehrenwerter Drache!
Ach ja?, sagte die Kuh. So ehrenwert, dass Du Dein Feuerunterdrückungsmittel heimlich gegen eine Kochsalzlösung ausgetauscht hast?
Mushu schloss mit einem lauten Klapp sein Maul, starrte die Kuh finster an.
Wir haben Dich entführt und gezwungen, sagte das Schaf. Sollte es Ärger geben was ich nicht denke werden wir später sagen, dass Du keinerlei Schuld trägst, okay?
Oh, und wir werden Dich nicht an Dr. Axt verraten, fügte Muhi lächelnd hinzu.
Wie gütig, grummelte der Drache.
Die Truppe nickte einstimmig und ging weiter, als plötzlich Ryo stoppte. What about the laserfield?, fragte er.
Laserfield?, fragte Muhi.
Sheep schlug sich gegen die Stirn. Stimmt, die Lichtschranken! Die hätte ich fast vergessen! Er drehte Mushu mitsamt den Sack in Richtung des Ganges. Sinti hat hier einige Sicherheitssysteme installiert. Kannst Du irgendwelche Laserbarrieren erkennen?
Ich bin ein Drache, erklärte Mushu. Kein Detektor!
Heute bist Du es, sagte Schaf. Du kannst in jedem Spektrum sehen. Also?
Mushu schaute kurz in den Gang, schüttelte dann den Kopf. Nö, ich seh' nix.
Schaf musterte den Drachen kritisch, der gelassen zurück starrte. Er zuckte die Schultern. Wie Du meinst, Echse
Er schwang den Sack, bereit, ihn in den Gang zu werfen.
Was wird das?!, quiekte das Reptil und wand sich in seinem Beutel.
Du gehst vor, wir kommen nach. Und hepp...
Naaaiiin!, schrie Mushu und kniff die Augen zusammen. Sheep verharrte in der Bewegung.
Der Drache blinzelte nach einigen Augenblicken, als der gefürchtete Aufprall ausblieb. Erleichtert seufzte er. Okay, okay. Ja, da vorne ist ein Lasergitter. Quer durch den Gang.
Wieso hast Du das nicht gleich gesagt?
Es ist undurchdringlich!, erklärte Mushu ärgerlich. Viel zu eng! Da passe vielleicht grade ich mal durch!
Schaf ließ den Sack sinken und der Drache lächelte triumphierend. Hier ist es vorbei, Sheep. Geht zurück oder ihr werdet erwischt. Deswegen wollt ich nix sagen.
Muhi nickte dem Schaf zu und drehte sich zu Ryo um.
Its up to you, cow
Ryo nickte. With Pleasure.
Die Irische Kuh wanderte an dem Schaf und dem verwirrten Drachen vorbei, sprühte vorsichtig ein scharf riechendes Aerosol in die Luft.
Was hat er vor?, fragte Mushu.
Oh, er ist ein Spezialist, was Sicherheitssysteme angeht, erklärte Sheep. Weißt Du, in Irland ist es nicht so einfach, als Kuh von A nach B zu gelangen. Vielleicht hassen Dich weder die Katholiken noch die Protestanten, und auch die Engländer hegen keinen Groll gegen Dich. Aber alle haben sie Hunger.
Entweder lernst Du recht schnell, wie Du vorran kommst, oder Du endest als Festschmaus für die Beefeater.
Im Dunkeln vor ihnen flackerten auf einmal dünne, hellgrüne Strahlen auf, glitzerten im feuchten Nebel aus Ryos Sprühflasche.
Die Irische Kuh nahm ein seltsames Gestell aus seinem Rucksack, klappte es auseinander und justierte hier und da, sprühte immer wieder das Aerosol in die Laserstrahlen.
Dann schob er endlich das Rahmengestell in den Gang vor sich, langsam und äußerst behutsam.
Es blitzte kurz auf und die Kuh lies das Gestell los. Wieder sprühte er Nebel in den Gang, doch keine Laserstrahlen waren mehr zu sehen. Ryo drehte sich um und sagte leise mooh
Kann weitergehen, nickte das Schaf und trabte los. Muhi folgte ihm in freudiger Erwartung.
Sie betraten einen großen Hof, der nach oben hin offen war.
Sie sahen das samtblaue Viereck über sich, spürten den kühlen Luftzug, aber es war zu dunkel, um irgendwelche Einzelheiten zu erkennen. Nur der betörende Duft der Tulpen hing schwer im Hof.
Wir können nichts pflücken, wenn wir nichts sehen, meinte Muhi.
So what about a Mag-Lite now?, fragte Ryo. Or just a little Match?
Sheep zog eine Schnur aus seinem Rucksack heraus, bat Ryo um sein Aerosolspray und schraubte den Zerstäuber ab.
Petroleum, sagte das Schaf und tunkte die Schnur hinein. Das benutzt Ryo, um die Strahlen sichtbar zu machen.
You cant use my vaporiser as a lantern, warnte ihn der Ire. Its made of plastic. It will melt right in your hand!
Sheep nickte. So weit war er auch schon. Er schnappte den Beutel mit Mushu, drückte den Drachen kurz, der darauf hin keuchend nach Luft schnappte. Schnell stopfte das Schaf ihm die getränkte Schnur ins Maul.
Wir machen einen Mushu an!, grinste er.
Daff ifft äufferff unhöfliff!, murmelte der Drache. Unn iff ferfpreffe Dir, daff wird fiff räffen!
Spuck keine großen Töne, erwiderte das Schaf, im Rausch des nahen Erfolges voller Hochmut. Spuck lieber Feuer. Er schnippte dem Drachen gegen den Rücken, der daraufhin eine kleine Flamme hustete.
Sofort brannte der improvisierte Docht hell auf und erleuchtete den kleinen Hof.
Verwirrt und panisch drehte sich die kleine Gruppe von Paarhufern im Kreis und schaute sich hektisch um.
Die Dunklen Silhouetten großer Männer an den Wänden waren längst nicht so bedrohlich wie die Schatten der fiesen Waffen in ihren Händen.
Einer der Silhouetten trat hervor, in den kleinen Lichtkreis der Mushu-Laterne.
Ai, Sinti..., winselte das Schaf. Ich ich ich wollte nur...
Wenn Du jetzt zu mir sagen, dass Du nur an meine Tulpe schnuppern wolltest, knurrte der Holländer, Dann reiss' ich Dir eigenhändig die Wolle von Deine Haut und stopfe Sie Dir dorthin, wo die Sonne nie scheint!
Das das ist doch der Gang weiter unten. Der hat keine Fenster, witzelte das Schaf im verzweifelten Versuch, seine Lage ein klein wenig zu verbessern.
Glaube mir, antwortete Sinti. Ich kenne eine Abkürzung...
Mushu spuckte den Docht aus und würgte einige male, um den Petroleumgeschmack loszuwerden. Irgendwo flammten Taschenlampen auf, die den kleinen Hof erhellten, bevor der Docht entgültig erlosch.
Hey, sagte Ryo Why do these guys have flashlights? I thought, all the equipment rooms are locked at night?
Sonja trat ins Licht und streichelte den Iren. Muhi bekam große Augen. My Dear cow, you can buy a flashlight in every greater supermarket.
And why didnt Sheep buy some of them?
Because, after all, sagte Sonja und grinste das Schaf schadenfroh an. hes just a stupid sheep.
Schaf zuckte mit den Schultern, als Ryo ihn zornig anstarrte. Hatte ich völlig vergessen, murmelte es entschuldigend.
You son of a..., begann die irische Kuh, schaute dann in die Runde der näher rückenden Männer und tat einen Schritt zur Seite, hob abwehren die Hufen. They made me do this! Ive nothing to do with these guys. They told me, its some kind of training or so...
You can go, Ryo, meinte Sonja sanft. You are the new one here and nobody should suffer for Sheeps crazy plans.
Der Ire verneigte sich und trabte hastig davon. Sonja lächelte ihm eine weile nach und drehte sich dann um. Erschrocken stieß sie einen hellen Laut aus, als sich ihr Gesicht in einem Strauß Tulpen vergrub.
Für Dich, meinte Muhi schüchtern und hielt ihr den Strauß weiter ins Gesicht. Er hatte mit menschlichem Charme noch nicht viel Erfahrung und seine bisherigen Flirtpartner neigten dazu, das Blumengedeck aufzufressen. Sonja wich einen Schritt zurück und nieste kurz.
Meine Tulpen!, schrie Sinti. Die blöde Kuh hat meine Tulpen gepflückt! Wild drehte er sich im Kreis und zeigte anklagend auf seine Helfer. Hat keine von euch aufgepasst, als diese Kuh an meine Beet ging?
Wulle zuckte mit den Schultern, schaute verlegen auf seine Fußspitzen. Wir...wir waren ein wenig abgelenkt, weißt Du...
Auf der Stirn des Holländers pochte eine Zornesader. Ihr wart zu abgelenkt um zu sehen, wie ein Achthundert Kilo Kuh meine Blumen stiehlt, während sie umzingelt ist? Mensch Leute, ich dachte Schaf wäre das Dümmste Wesen hier.
Mach mal halblang, meinte Shu verletzt. Wir sind freiwillig hier, um zu helfen.
Aber ich sage wahr, meinte der Holländer und drehte sich zu Muhi um, der genüsslich an dem Strauß kaute. Sinti schlug sich die Hände an den Kopf. Jetzt frisst er sie auch noch! Sieht euer Hirn nicht, was die Augen senden? Er eilte zu der Kuh und riss ihr den Strauß aus dem Maul. Muhi muhte laut und biss sich energisch an den Stengeln fest.
Shu trat vor und gab eine Garbe aus seinem Sturmgewehr ab. Die Kuh heulte auf und brach zusammen. Na also, meinte er trocken. Kuh schläft. Wo ist das Problem?
Sinti schaute traurig auf die abgerupften Tulpen in seiner Hand. Eine Stunde hocken wir in die Dunkelheit, um das hier zu verhindern, winkte er mit Tränen in den Augen. Zerfranste Tulpenblüten fielen zu Boden.
Hinter ihm röchelte es und keuchte, als Mushu sich endlich aus dem Sack befreite und hingebungsvoll Petroleum spuckte.
Sie haben mich gezwungen! Ich hab nix zu tun damit!
Wissen wir doch, meinte Sinti beruhigend. Du kannst auch gehen.
Ich will bleiben!, meinte der Drache stur. Und wenn's euch recht ist, dann übernehme ich die Rache am Schaf!
Turi trat in den Lichtkegel und lächelte sadonisch. Tut mir leid, Drache. Den Job hat Sinti schon jemand anderes versprochen..., er winkte mit der Hand in den Schatten und Pommie kam hinzu.
Sheep wich zurück, bis er von einer Säule aufgehalten wurde.
Nein! Nicht die verrückte Frau! Warum knallt ihr mich nicht einfach über den Haufen?
Das ging mir zu schnell, meinte der Holländer. Pommie, wenn Du die Ehre hättest?
Mit Vergnügen, grinste die Frau und hob das Schaf hoch.
Die rechte Säule, meinte Mushu lakonisch, als Pommie sich nach einem geeignetem Gegenstand umsah. Die kennt er schon.
Warte, rief das Schaf und versuchte sich, aus dem Griff der Frau zu befreien. Doch wenn man zwei Kinder hat, lernt man, wie man widerspenstige Personen sicher im Griff hält.
Du kannst mich nicht einfach so gegen einen Pfeiler hauen!
Pommie hielt inne, überlegte kurz. Dann nickte sie.
Du hast recht. Turinos?
Der Sniper grinste, zog einen Stift aus der Tasche und ging zur Säule.
Einige Momente lang hörte man das helle schubbern des Eddings auf glattem Beton. Als Turi zurück trat, sah man eine Tulpe, die er auf die Säule gemalt hat.
Besser so?, fragte Pommie?
Kann mich vor Freude kaum halten..., seufzte das Schaf resigniert.
Eine ganze Weile später hörten Mushu und Ryo das laute Pochen von Schädel auf Beton, die Schmerzensschreie und das Flehen des Schafs, die durch die dunklen Gänge hallte. Ein anderes Geräusch verriet ihnen, dass die Kuh langsam erwachte.
Jetzt wirds noch lustiger, meinte Mushu vergnügt. Ryo kaute an einer Tulpe, die er heimlich erbeutet hatte und nickte: Indeed.
Manche Dinge versteht man auch, ohne sie zu übersetzen.
Auf dem Trainingsgelände waren Stühle vor einer Leinwand aufgestellt. Alle Rekruten saßen auf ihren Plätzen und schauten mit mäßigem Interesse zu, wie JetLi vor der Leinwand auf und ab ging, mit einem altmodischen Zeigestab auf verschiedene Punkte zeigte, die auf der projizierten Karte mit einem roten Kreuz hervorgehoben waren.
Das hier ist sehr wichtig!, ermahnte er seine Schüler. Irgendwo weiter hinten hörte er ein demonstratives Schnarchen, dass er zähneknirschend ignorierte.
Von dort können zwei kommen und einer passt immer von dieser Stelle aus auf. Sobald die Sniper haben, nicht mehr vorgehen bis dahin, sondern weiter zurück bleiben! Und Nades! Die Nades kommen von dort, tack, machte der Zeigestab, als ihn Jetti über die Karte schwang, und von dort und dort. Tack, tack.
Stellt euch hier hin, tack, und werft eine Blocknade über die Mauer. Dann müsst ihr hier, tack, und hier stürmen!, tack, tack, tack! Immer zu zweit! Habt ihr das verstanden?
JetLi drehte sich auffordernd zu der Gruppe um und schaute erwartungsvoll in die Gesichter.
Lediglich eine Handvoll schien das Briefing aufmerksam zu verfolgen. Redrum und Scorpi schauten konzentriert auf die Leinwand und Pommie machte sich Notizen.
Tiger versuchte ebenfalls, einige Stichpunkte aufzuschreiben, doch mit seinen Pranken zerfetzte er immer wieder seine Notizblöcke. Schließlich gab er auf und guckte bei Pommie ab.
Sonja streichelte Ryo, der neben seinem Stuhl in der Sonne döste. Mushu schien alles zu verfolgen, doch tatsächlich schlief er ebenfalls, diesmal mit offenen Augen. Was brauchte ich Taktik, dachte er. Als Drache weiss ich alles darüber.
Noise hatte mal wieder vergessen, sein Implantat zu aktivieren und wippte zu einem Takt, den nur er in seinem Kopf hörte.
Erzengel schlief seinen Rausch aus und Turi malte ihm mit dem Edding das Gesicht voll. Worte wie Noob, Dummkopf und Easy Fragg standen auf Wange und Stirn. Sinti neben ihm sägte auch herzhaft vor sich hin.
Sheep und Muhi alberten rum und bewarfen sich mit Gras, was den beiden anscheinend einen Heidenspaß machte und die Jail House Rockers hatten schon zu Beginn des Briefings eine hitzige Diskussion begonnen und waren nun in einer Rauferei verknäuelt.
Wulle saß neben Pommie und schaute desinteressiert auf ihre Unterlagen, aber JetLi sah, dass er selber Notizen gemacht hatte. Also passte der Klon wohl doch auf.
Fulli und Black Scorpion saßen etwas abseits von der Gruppe und beobachteten das Briefing mit gemischten Gefühlen.
JetLi seufzte und schritt wütend zu seinem Tisch, knallte laut den Zeigestock auf die Holzplatte.
Er wiederholte die Geste, als sie bei den Rekruten keinerlei Reaktion zeigte. Auch diesmal reagierte niemand auf den Knall.
HEY!, schrie er und plötzlich richteten sich alle Augen auf ihn.
Wir haben hier ein Briefing! Ist das jemanden aufgefallen?
Ich seh nur Gras, kicherte Sheep. Muhi grölte.
JetLi stürmte auf die Paarhufer zu, baute sich vor dem Schaf auf.
Das war durchaus dramatisch. JetLi ist gerade mal eins siebzig groß, aber bekanntlich ist Größe nicht alles, insbesondere, wenn die Schulterhöhe des Schafs die gleichen Maße hatte.
Der Trainer starrte dem Vieh in die Augen. Er war ein Experte im Niederstarren und Schafaugen eigneten sich nicht sonderlich gut dafür, ein Objekt oder ein wütendes Auge für längere Zeit zu fokussieren.
Du findest das komisch? Hm?, knurrte der Asiate. So richtig witzig? Meinst Du, ich bin hier um Dir ne tolle Show zu bieten?
Neben ihm grunzte die Kuh, als sie mühsam versuchte, einen Lachanfall zu unterdrücken. Sheep lachte gar nicht mehr.
äh nein...
NEIN WAS!, brüllte JetLi und das Schaf kniff die Augen zusammen, um sich vor dem Speichelregen zu schützen.
Nein...Sir?
Besser. Viel Besser. Nenn mir die Acht Positionen, um Den Sniper bei Getaway zu unterlaufen!
Das waren Acht?, fiepte das Schaf. JetLi stöhnte gequält auf und wandte sich der MuhKuh zu.
Du!
Muuaah!, erschrak die Kuh.
Du, wohin werfe ich die Blocknade, damit sie hinter den Gang fliegt?
Äh, gegen den Stahlträger?
Da waren Vier von ihnen. Etwas genauer bitte!
Äh, der Dritte?
JetLi schüttelte langsam den Kopf.
Der erste!, fiel es der Kuh ein.
JetLi starrte ihn finster an.
Zwei? Vier?
Vergiss es. Hat keinen Sinn. Vier Mägen aber kein Hirn. Und Du wunderst Dich über das Ende der Nahrungskette? Der Ausbilder wirbelte herum.
Ihr da!
Das Knäuel stoppte augenblicklich in seinem Gerangel. Ein Schlumpf, der sich in Shus Waden verbissen hatte, rollte die Augen unsicher nach oben. Shu hörte auf, Rotz mit seiner Sandale zu schlagen und Rotz wiederum ließ den Hals des Schlumpfes los.
Auf welcher Position stehen die Terrors, wenn ihr den Mittelgang lauft?!
Schnubbel blinzelte den Trainer an. Da stehen Terrors?
JetLi ließ die Schultern hängen.
Er schritt wütend nach vorne, baute sich vor der Mannschaft auf und hob ratlos die Arme. Hat einer von euch aufgepasst? Interessiert es euch, was ich hier sage oder haltet ihr das für Zeitverschwendung? Sagt es mir besser gleich, denn ich kann mir auch schöneres vorstellen, als so einen Sauhaufen zu unterrichten!
Sinti wachte schmatzend auf und schaute sich verwirrt um.
Ah, der Holländer ist wieder unter uns!, kommentierte JetLi mit spotttriefender Stimme Guten Morgen, Sinti! Weißt Du, wo Du bist? Hast Du von schönen Tulpen geträumt?
Eigentlich ging es mehr um...
Der Asiate hob die Hand. Das war eine rhetorische Frage! Ich will es nicht wissen!
Was ich wissen will, weiss nur einer von euch, wo seine Position ist?
Pommie, Tiger und Mushu meldeten sich, doch JetLi winkte ab.
Ihr braucht nichts zu sagen. Ich denke, ihr wisst Bescheid.
Alle Arme senkten sich wieder, bis auf den vom Tiger. JetLi sah ihn verwirrt an. Ja was denn?
Äh, begann der Tiger. Ich habe vorhin nicht mitbekommen, wo meine Position ist...
JetLi biss die Zähne zusammen. Ruhig, ganz ruhig bleiben. Tiger muss nur wieder reinkommen. Er zeigt Willen.
Noise saß immer noch da und wippte zu seiner inneren Musik.
Noise!, rief JetLi ihm zu. Der DJ reagierte erst, als ihn jemand anstieß, dann sah er zu dem Trainer auf und lächelte freundlich.
Kannst Du mich hören? Schalt Dein Mikrophon an!
MIKROBEN?, schrie Noise. KANN NICHT SEIN, ICH BIN NICHT ERKÄLTET!
DEIN VERDAMMTES MIKROPHON! DEIN IMPLANTAT! SCHALT ES ENDLICH AN!
Der DJ schaute den Trainer konsterniert an und fingerte an seinem Headset herum. Kein Grund, gleich unfreundlich zu werden, murmelte er.
JetLi seufzte und drehte sich zu dem versoffenen Engel um.
Erzengel!
Der Gefallene wachte auf und schaute verwirrt zu dem Trainer. Aus einem Reflex heraus wollte er sich am Kinn kratzen, doch Turi hielt seinen Arm fest. Tu es besser nicht. Noch nicht, grinste die Sniperleiche.
Der Engel schenkte ihm einen irritierten Seitenblick, aber JetLi beanspruchte seine ganze Aufmerksamkeit.
Wo wirst Du stehen und Snipern! Am Wasserloch oder an den Gleisen?
Uhm, also...an den Gleisen
Falsch!, bellte der Trainer. Noch ein Versuch!
Dann natürlich am Wasserloch, sagte Erzi und lächelte triumphierend, bis ihm der Blick von JetLi auffiel. Irgendwie spürte er, dass er immer noch nicht die richtige Antwort gegeben hatte.
In Getaway gibt es kein Wasserloch und auch keine Gleise! Das war eine Fangfrage und Du bist drauf reingefallen! Weißt Du wenigstens, wo Du Dich gerade befindest?
Aus blutunterlaufenen Augen glotze der benebelte Engel den Asiaten an.
JetLi drehte sich zu Fulli um und schüttelte den Kopf.
Ich kann so nicht arbeiten. Dieser Haufen Kuhscheisse hier ist zu nix zu gebrauchen! Der Engel ist immer noch besoffen, die J.R.s spielen ihre Gefängnisrevolte nach und die Paarhufer haben nur Gras im Kopf! Und unseren Progamern bin ich anscheinend zu langweilig! Schmeiss die Blindgänger raus, Fulli, ich stell Dir eine richtige Truppe zusammen. Mit denen gewinnst Du nicht mal nen Trostpreis! Die sind der Trostpreis!
Der Clanleader stand auf und ging wortlos zum Waffenständer und winkte Blacky zu sich.
Unter den fragenden Blicken des Trainers und der Rekruten verteilte er mit seiner Adjutantin die Waffen an die Mannschaft.
Zuletzt gab er JetLi eine MP und ein Sniper.
Wir machen eine Trainingsrunde. Eineinhalb Stunden sollten genügen.
Jetzt?, keifte JetLi mit überschlagender Stimme. Das wird ein Desaster! Die Typen wissen ja nicht einmal, auf welchem Gelände wir uns befinden!
Dann müssen sie halt schnell lernen.
Das ist unfair!, schimpfte Shu aus der hinteren Reihe. Wieso dürfen wir uns nicht vorbereiten?
Das habt ihr doch, meinte Fulli zynisch, während er etwas auf eine Overheadfolie schrieb. JetLi hat euch eben eine Stunde lang alles erklärt. Wenn ihr aufgepasst habt, kann gar nichts schiefgehen. Er legte die Folie auf den Projektor. Die Namen des Teams waren darauf zu sehen:
Terrors |
SWAT |
Mushu |
Muhi |
Wulle |
Sheep in Panic |
Pommie |
Shu |
Sonja |
Sintenel |
JetLi |
Erzengel |
Turinos |
Rotz |
Tiger |
Schnubbel |
Black Scorpion |
Ryo Hazuki |
Fulli |
|
Red Scorpion |
|
REDRUM |
|
Hey, das ist unfair!, meckerte das Schaf. Wieso habt ihr mehr Leute in eurem Team?
Fulli drehte sich um. Das sind alles die, die aufgepasst haben.
Wir haben auch aufgepasst!, protestierte Schnubbel. JetLis Blick traf ihn. Naja, korrigierte er sich. Ab und an zumindest...
Dann solltet ihr die Runde ja gewinnen. Auf gehts!
Murrend stand die Truppe auf und überprüfte ihre Waffen.
Pommie hatte das seltene Talent, alles was ihre Hände berührten, in Schrott zu verwandeln. Sie rüttelte an ihrer MP und fluchte hingebungsvoll, weil das Ding Ladehemmung hatte. Eine Patrone hatte sich im Auswurfschacht verklemmt und wollte sich nicht lösen lassen.
Wie hast Du das geschafft?, wunderte sich Sheep. Du hast noch gar keinen Schuss abgefeuert.
Ach sei still!
Schaf sah noch eine weile den hilflosen Versuchen Pommies zu, dann streckte er ihr seine MP hin.
Sie blinzelte verwundert auf die Waffe.
Nimm meine, nickte er. Ich krieg' die Patrone da schon raus.
Misstrauisch beäugte sie das Wollknäuel. Danke. Aber erwarte jetzt nicht, dass ich freundlich zu Dir bin!
Keineswegs!, winkte das Schaf ab. Ich will nur ein faires Spiel!
Aha. Hast Du zufällig noch eine Granate für mich? Ich kann meine nicht finden.
Natürlich. Hier...
Er reichte ihr das grüne Ei und sie hängte es sich an den Gürtel. Viel Glück sagte sie zu dem Schaf, als es fröhlich davon trottete. Dann stutzte sie und sie rief Sheep noch mal zu sich her.
Einen Augenblick!
Määäh?, drehte sich das Schaf um und schaute die Frau unschuldig an.
Faires Spiel, was?, spottete Pommie und nahm dem Schaf die Brille ab, die sie seit Beginn des Briefings suchte. Die brauchst Du nicht.
Schaf zuckte mit den Schultern. War ein Versuch. Er zog mit den Zähnen die Kugel aus der Ladekammer und spuckte sie in den Gras, lud die MP dann noch mal durch.
Hinter ihm stieß ihn jemand an. Kann's endlich losgehen?, fragte Turinos ihn mit sadistischem Blick. Ich will endlich Wolle sehen.
Kauf Dir einen Pullover, entgegnete das Schaf mit unsicherer Stimme.
Mache ich, meinte der Scharfschütze und grinste finster. Nach dem Training.
Fulli stellte sich vor der Mannschaft auf und hob seine Waffe.
Also Gut, Mädels. Genug gespielt! Fünf Minuten, um auf eure Positionen zu kommen, dann fällt der Startschuss!
Die Mannschaften teilten sich auf.
Als der Startschuss fiel, stritt sich das SWAT-Team noch immer um seine Positionen.
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