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Tactical-Paarhufers
Kapitel 3

Wie sollen wir uns bemerkbar machen, deutete Reddy mit Handgesten an. Scorpi zuckte mit den Schultern. Sein Gesicht verzog sich vor Schmerzen als der nächste Beat in horrender Geschwindigkeit aus den Boxen dröhnte. Nichts gegen Musik, auch für Techno hatte er was übrig, aber hier kam der Sound in Jericho-Lautstärke und drohte, einem das Gehirn durch die Nase rauszutreiben.
Sie standen vor dem Pult, das komplett mit einer Glasfront verkleidet war. Dahinter chillte ein DJ an seinem Pult und nahm die zuckende und schwitzende Menge auf der Tanzfläche nicht wahr. Ebenso wenig bemerkte er die beiden Krieger, die verzweifelt versuchten, auf sich aufmerksam zu machen.
Dummerweise war ein Großteil der Boxenanlage direkt neben dem Pult aufgebaut und trotz Gehörschutz befürchteten Reddy und Scorpi einen dauerhaften Schaden. Das Zwerchfell versuchte verzweifelt, mit dem Bass mitzuhalten und schien jede Sekunde reißen zu wollen. Die Zähne vibrierten und Scorpi hatte einen Augenblick lang die Befürchtung, gerade einige Plomben verschluckt zu haben. Reddy machte eine frustrierte Geste und zog seine Shotgun. Er hob sie gen Decke und feuerte Drei Schüsse ab.
Das brachte ihm einen feinen Regen aus weißem Putz ein, der seinen Kopf und seine Lederjacke puderte, aber ansonsten geschah nichts weiter. Die Schüsse waren in dem Lärm völlig untergegangen.
Scorpi konnte gerade noch verhindern, das Reddy seine Wumme auf die Scheibe richtete und genervt einen Schuss abgab. Er deutete auf die Boxen und schüttelte hastig den Kopf, als Reddy seine Schrotflinte auf die Anlage ausrichtete.
Stattdessen ging Scorpion um die Anlage herum und zog kräftig an dem Hauptkabel.
Die Stille, die plötzlich über der Tanzfläche einbrach, schien lauter als der Krach zuvor.
In dem betäubenden Vakuum der lärmenden Stille riss sich der DJ die Kopfhörer herunter und schaute erbost auf die beiden Männer. Er drehte sich um und ging zum Seiteneingang des Mischpults.
„WAS SOLL DER SCHEISS?!“, schrie er in voller Lautstärke, „WOLLT IHR MEINE SHOW VERMASSELN ODER WAS?“
Reddy pulte sich ein Ohropax aus dem Gehörgang und schüttelte den Kopf. „Wir wussten nicht, was wir sonst noch tun sollten, damit Du uns bemerkst.“
„WIE BITTE?“, schrie der DJ.
Scorpi beugte sich vor und sagte etwas lauter „Du hast uns nicht bemerkt!“
„WAS FÜR EIN KLÄRWERK?“, fragte der DJ verwirrt.
Reddy seufzte und zeigte Scorpi mit seinem Zeigefinger, dass der DJ einen Schuss zuviel weg hatte.
„Können wir draußen reden?“, schrie er. Der Musiker schaute ihn fragend an.
Reddy zeigte energisch auf den Ausgang „DRAUSSEN? REDEN?“
Der DJ grinste breit und nickte, als er endlich verstand.
„JA, KEIN PROBLEM! ICH BRING NUR SCHNELL DIE ANLAGE IN ORDNUNG, DANN KOMME ICH!“
Die beiden Krieger flohen, bevor die Musik erneut einsetzte.
Selbst vor der Disco war der Lärm noch heftig. Aber wenigstens erträglich und man konnte sich fast in normaler Lautstärke unterhalten.
„Was will Fulli nur von dem?“, wunderte sich Redrum. „Der ist doch voll neben der Spur!“
Scorpi schüttelte den Kopf. „Er war Acht Jahre im Nachrichtendienst. Und Fünf Jahre in einer regulären Armee. Er kennt sich also in Taktik kleiner Einheiten aus, Verdeckten Ermittlungen und ist mit diversen Waffen vertraut. Zudem hat er einige aktive Einsätze hinter sich.“
„Ja, aber der ist doch nicht ganz richtig! Brauchen wir noch mehr Psychopathen in der Truppe?“
„Der ist doch gar nicht so verrückt“, verteidigte Red Scorpion den DJ. Er überlegte kurz und zwinkerte dann. „Na ja, wie normal ein DJ sein kann halt. Ich mache mir mehr Sorgen wegen seinem Gehör. Der Kerl scheint stocktaub zu sein.“
Der Lärmpegel steigerte sich für einen Moment, als die Tür zur Disco aufschwang und der DJ auf die beiden Männer zu schlenderte.
„HALLO!“, schrie er und streckte seine Hand aus. „NENNT MICH NOISE!“
„Du heisst Noise?“, stöhnte Redrum. „Wie passend.“
Der DJ riss die Augen auf. „WO SOLL ICH DICH ANFASSEN?!“
Reddy beugte sich vor. „VERGISS ES. WIR WOLLEN MIT DIR REDEN!“
„WAS FÜR EIN STOLLEN?“, rief Noise verwirrt. „UND WELCHE FETE? GEHT ES UM EINEN GIG?“
Scorpi schüttelte resigniert den Kopf, als er Redrums hilflose Blicke sah. „So kommen wir nicht weiter.“
Er zog einen Notizblock und einen Stift, und schrieb sein Anliegen auf. Dann reichte er den Zettel dem DJ.
Noise las sich das Geschriebene durch und blickte die beiden Männer dann überrascht an. „ICH SOLL KÄMPFEN? WAS IST DANN MIT MEINER MUSIK?“
Wir haben eine Hausdisco, schrieb Scorpion. Und wir hätten sogar eine Band für Dich, die gerne Krach macht.
Noise schüttelte den Kopf. „MIT KRACH HAB ICH NICHTS AM HUT! ICH MACH NUR MUSIK!“
„Wer’s glaubt“, seufzte Redrum
„WIE BITTE?“, schrie der DJ. „WER HAT DICH BERAUBT? HIER IN DER DISCO?“
Reddy winkte hastig ab. „SCHON GUT!“, rief er dem tauben Discjockey zu. „WAS HÄLTST DU VON DEM ANGEBOT?“
„PARKVERBOT?“, fragte Noise laut. „WARUM STELLST DU DEINEN WAGEN DORT AB? WIR HABEN EINEN PARKPLATZ!“
Scorpi legte seinem Kumpel die Hand auf die Schulter, damit er sich beruhigte. Redrum sah aus, als würde er sich jeden Moment auf den DJ stürzen und ihn erwürgen.
Scorpi kritzelte etwas auf einen neuen Zettel und reichte ihn Noise, zusammen mit einer Visitenkarte.
„VIELEN DANK!“, schrie der DJ. „ICH WERD MIR DAS MAL ANSCHAUEN!“
„Was auch sonst“, spottete Reddy. „Hören kannst Du ja nicht.“
Noise schenkte dem Krieger einen finsteren Blick. „WEN NENNST DU HIER WICHT?“
Redrum drehte sich abrupt um und schlenderte zu seiner Maschine. Scorpi verabschiedete sich von dem DJ, vermied es aber, irgendwas zu sagen. Er wollte keine weiteren Missverständnisse. Als er zu Redrum aufschloss, hörte er seinen Kumpel laut fluchen, während er den Strafzettel zerknüllte, das irgend so eine Schlampe von Politesse auf seine Armaturen geklemmt hat.

„Warum soll ich unbedingt mitkommen?“, wunderte sich das Schaf. „Und wieso Muhi nicht?“
„Weil Du ihre Schwester kennst“, meinte Blacky. „So haben wir einen Kontakt.“
„Aha“, wunderte sich das Schaf. „Müssen wir sie denn überzeugen? Ich dachte, ihr rekrutiert nur Leute, die das auch wirklich wollen.“
„Mag schon sein“, erklärte die Adjutantin. „Aber Pommie hat wenig Zeit und sich viel vorgenommen. Es ist fraglich, ob sie noch Platz hat für eine weitere Verpflichtung.“
„Warum fragen wir sie dann überhaupt? Es gibt doch sicher noch andere Kandidaten. Und sicher bessere.“
Blacky lächelte. „Soll das eine Anspielung darauf sein, dass Frauen nicht so gut kämpfen können wie Männer?“
„Oh nein! Nein.“, schüttelte Sheep schnell den Kopf. „Außerdem bin ich ein Schaf und kann diesbezüglich kaum Vergleiche machen. Aber wenn ich mir die Rekruten so ansehe...Du sitzt noch näher an der Quelle der Informationen, Blacky. Findest Du Fullis Auswahl nicht auch ein wenig seltsam?“
Blacky sagte nichts. Also sinnierte das Schaf munter weiter.
„Ich meine, Muhi und ich. Da dachte ich schon, wir wären die Ausnahme. Aber die Truppe besteht praktisch aus Ausnahmen. Und jetzt holen wir jemanden, der recht normal erscheint, aber eigentlich keine Zeit für die TOWCL hat. Ich kenn' eine menge Frauen, die kämpfen. Und welche, die auch Zeit dafür haben.“
„Fulli weiss genau, was er tut“, sagte Blacky plötzlich. „Er stellt so ein seltsames Team nicht ohne Grund zusammen. Tatsächlich versucht er die Ideale Mischung zu finden. Individuen, die sich perfekt ergänzen.“
„So wie ein Drache und ein Schaf?“, fragte Sheepie sarkastisch. Blacky schenkte ihm ein verschmitztes Lächeln.
„Ich vertraue ihm. Bisher hat er sich noch nie geirrt. Und er hat einen enormen Weitblick, was die Dinge angeht und eine wunderbare Menschenkenntnis.“
„Ich bin nach wie vor ein Schaf, Blacky...“
„Du bist menschlicher als Du denkst. Du redest, gehst manchmal aufrecht, und Dein Freund da, Muhi...“
„Oh, Muhi“, unterbrach Sheep die Frau und machte eine wegwerfende Bewegung. "Der ist eigentlich nicht mein Freund. Lebt nur zufällig auf der gleichen Weide.“
„...Wie auch immer. Er stellt Red Sonja nach.“
Das Schaf seufzte. „Der stellt allem nach, was einen Rock und zwei Titten hat. Die ham mal vor unsrer Weide ne Werbetafel aufgestellt, von so einer Dessous-Firma. Die hat er tagelang verzückt angemuht. Bis er merkte, dass sie nicht antwortete.“
„Ja“, meinte Black Scorpion und lächelte. „Sehr menschlich, findest Du nicht?“
Sheepie schwieg dazu und schaute auf. Vor ihnen lag das gemütliche Haus, direkt am Ortseingang. Kindergeschrei war aus dem Garten zu hören.
„Sind wir da?“
Blacky nickte. „Dort wohnt Pommie. Komm gehen wir rein.“
Das war gar nicht so einfach.
Als nach mehrmaligen Klingen die Tür öffnete, zeigte sich eine gestresste Frau, die Blacky überrascht herein winkte, das Sheep aber mit wedelnden Händen abwimmelte.
„Das Schaf kommt aber nicht hier rein! Ich hab grad stundenlang die Wohnung geputzt! Bring Dein Haustier in den Garten!“
„Na hör mal!“, sagte Sheep empört. „Ich bin doch kein Haustier! Ich gehöre zu Blacky!“
„Also doch ein Haustier.“
Schaf seufzte. „Nein. Ich meinte, ich gehöre zu der Truppe. Also zu Team Laval. Wenn Du jetzt so freundlich wärst und mich...“
Die Frau beugte sich herunter und sah dem Schaf streng in die Augen. „Du kommst hier net rein!“
„Dein Nachwuchs hat keine glückliche Kindheit, oder?“, stichelte Sheep. Pommie verschränkte die Arme und stellte sich stur in die Haustür.
Hilflos schaute das Schaf zu Blacky.
Sie unterdrückte ein Grinsen und wandte sich freundlich an die Frau. „Wir könnten in den Garten gehen. Wäre das ein Kompromiss?“
Pommie nickte zögernd. „Aber wehe, wenn Dein Biest anfängt den Rasen abzumähen!“
„Wie oft noch, Du Nuss! Ich bin nicht ihr Hausti...“
Ohne weitere Worte schnappte sich Pommie das Schaf am Hals. Es gab ein ersticktes „mäh!“ von sich, als die Frau es mit starken Armen in den Garten schleppte und damit begann, es mit dem Kopf gegen einen Pfosten zu donnern.
Unter den rhythmischen Pochen, die Sheepies Schädel an dem Hindernis verursachte, begleitet von gelegentlichen Schmerzlauten und verzweifelten määh-lauten, fragte Pommie, mit zuckersüßer Gastfreundschaft. „Und was kann ich für Dich tun? Möchtest Du vielleicht einen Tee?“
Blacky schüttelte danken den Kopf. „Ich wollte Dich eh nicht lange aufhalten. Mein Anliegen ist schnell erklärt.“
„Oh, was für ein Anliegen? Wenn es um Staubsauger und dergleichen geht, dann muss ich ablehnen. Wir sind bestens versorgt im Moment und ich kaufe generell nichts an der Tür.“
„Nein nein“, lachte Blacky. „Ich bin gewiss keine Vertreterin. Eigentlich eher eine Söldnerin.“
Pommie horchte auf, vergass sogar, dass Schaf einen Moment lang weiter gegen den Pfosten zu schlagen.
„Eine Söldnerin?“, fragte sie überrascht. „Was könnte eine Söldnerin von mir wollen?“
„Wir suchen noch neue Rekruten“, eröffnete Black Scorpion. „Mit Wir“ meine ich das Team Laval. Dazu gehören unter anderem ich, einige andere besondere Personen und auch das Schaf, dem Du gerade so hingebungsvoll Manieren beibringst.“
Pommie schaute zu dem Schaf in ihrem Arm, ohne ihre erzieherischen Maßnahmen zu unterbrechen. „Diese ungehobelte Wollsau etwa auch? Die kann kämpfen?“
„Blacky...“ stöhnte das Schaf. „Hilf mir!“
Doch die Adjutantin lächelte nur. „Alles gut da unten?“
Das Schaf verdrehte die Augen.
„Ich...“
bong
„...genieße...“
bong
„...die...“
bong
„...Pausen...“
bong
„...ächz!“
Blacky nickte der Frau zu. „Ich denke, das reicht jetzt. Er hat es sicher nicht so gemeint.“
Pommie zeigte Güte und ließ das Schaf los. „Du solltest wissen, dass man eine Frau nie auf das Alter anspricht, Schaf“, meinte sie tadelnd und in einem versöhnlichen Ton, der ihre Taten zuvor als blanken Hohn darstellten.
Sheep rieb sich beleidigt den Kopf. „Das ist bei Dir auch nicht nötig. Dein Alter kann man leicht erkennen, alte Frau.“
Pommie streckte die Hände aus und griff nach dem Schaf.
Es sprang auf allen vieren erschrocken rückwärts und floh dann blökend über den Rasen.
Als es in einiger Entfernung stehen blieb und misstrauisch die beiden Frauen beobachtete, ob nicht doch eine von denen ihn jagen würde, schüttelte Pommie den Kopf und wandte sich wieder zu Blacky. „Ich kann nicht glauben, dass dieses feige Vieh tatsächlich in eurer Truppe ist. Was hat es dort für Aufgaben? Winterversorgung? Rasen mähen?“
Die Stabsoffizierin schüttelte den Kopf. „Er ist in der kämpfenden Truppe.“
„Der? Was passiert, wenn ein Schuss fällt? Zuckt es zusammen und pinkelt sich in die Wolle?“
Blacky lachte laut auf. „Aber nein. Er hat Ressourcen. Aber zugegeben, wir haben einige Anfangsprobleme mit ihm. Die anderen machen sich besser.“
„Gut zu hören. Wären da mehr solche wie das Schaf, würde ich das Angebot nicht unbedingt in Betracht ziehen.“
„Sheep ist in Ordnung. Nur ein wenig eigen. Er hat nicht viel Erfahrung im Umgang mit Menschen.“
„Noch nicht“, prophezeite Pommie düster.
„Wenn Du bei uns eintrittst, kannst Du Dich gerne um ihn kümmern. Aber lass ihn soweit in einem Stück, dass er noch kämpfen kann.“
Pommie lachte einmal kurz. „Ich werd meine kostbare Zeit doch nicht an so 'nem Vieh verschwenden! Ich hab so schon genug am Hals!“
Blacky nickte. „Das haben wir auch gehört. Wie sieht es denn aus? Bist Du überhaupt zeitlich in der Lage, uns beizutreten?“
„Hm“, überlegte Pommie, „mal sehen. Ich habe Abendschule. Die werde ich nicht unterbrechen. Die Kinder...“
„...Wir haben einen Kinderhort“, warf Blacky ein.
Die Frau schüttelte energisch den Kopf. „Kommt nicht in Frage! Ich werd' meine Kinder noch nicht neben dem Trainingsgelände mit Holzklötzen spielen lassen, wenn da Leute mit Waffen auf sich schiessen?“
„Der Hort ist natürlich nicht in der Basis. Aber keine Zwanzig Minuten davon entfernt. Sie müssen nicht einmal wissen, was Du tust. Aber Du kannst jederzeit zu ihnen rüber fahren.“
„Muss ich denn im HQ wohnen?“
„Aber nein. Wir stellen Dir einen Wagen. Du kannst nach dem Training und den Matches wieder zurück. Scorpi und Redrum wohnen auch nicht dort. Tatsächlich sind derzeit nur die Leute dort, die noch keine Bleibe haben.“
„Hm“, meinte Pommie und nickte schließlich. Dann stand sie auf und verschwand im Haus. Blacky hörte ihre laute, energische Stimme. „Kinder, packt eure Sachen! Wir machen einen Ausflug! Alex, Du machst ab Heute den Haushalt! Ich hab ‘nen neuen Job!“
Die Offizierin schaute rüber zu dem Schaf. Missmutig kaute es auf einem Grasbüschel herum und schaute beleidigt zu dem Haus rüber. Blacky winkte es her und zögernd trabte es heran.
„Sie kommt mit“, klärte sie ihn auf. „Was übrigens nicht Dein Verdienst ist.“
„Määäh?“, sagte das Schaf mit aufgerissenen Augen. „Ich habe doch gar nichts gemacht! Diese verrückte Tante hat mich angegriffen!“
„Sie hat Dir nur Manieren beigebracht.“
„Sie hat versucht, mich langsam umzubringen! Die Frau ist ein Monster!“
„Gut“, meinte Blacky nur. „Dann wird sie wunderbar in unsere Truppe passen.“
„Na super“, seufzte das Schaf.
Die Terrassentür wurde aufgeschoben und Pommie trat heraus in den Garten. Hastig schluckte Sheep die Grasreste hinunter.
„Wir können los.“
Blacky und das Schaf starrten auf die Frau. Nun, ohne ihre Putzkleidung und nachdem sie sich kurz frischgemacht hat, sah sie völlig verändert aus.
„Und was denkst Du jetzt?“, fragte Blacky das Schaf leise.
„Sie sieht viel netter aus“, flüsterte er erstaunt. „Aber von der Bosheit her hat sie das gleiche Potential wie Mushu.“
Pommie stellte ihren Rucksack auf den Boden und rief nach ihren Kindern. Ein Mädchen und ein Junge flitzten an ihr vorbei in den Garten und entdeckten das erschrockene Schaf.
„Schaaf! Schaaf!“, rief das Mädchen aufgeregt.
„Dürfen wir mit dem Schaf spielen, Mama?“, fragte der Junge.
„Nein! Dürft ihr nicht!“, fiepte Sheep.
„Nur zu“, grinste Pommie und gab ihrem Jungen einen sanften Klaps.
„Määäaahh!“ kreischte das Schaf und stürmte panisch davon, während sich die beiden Kinder johlend und lachend an seinem Fell festkrallten.
„Mit Kindern kann er auch nicht“, seufzte Pommie.
„Er lernt schnell“, versicherte Blacky ihr. „...Für ein Schaf.“

Alle neue Rekruten saßen im Briefing-Room und sahen den Clanleader mit großen Augen an.
„Was genau ist mit „Medizinischen Untersuchungen und Operativen Korrekturen“ gemeint?“, fragte Muhi.
„Ganz einfach“, erklärte Fulli. „Erstmal werdet ihr alle komplett durchgecheckt. Wir brauchen ärztliche Bescheinigungen von euch, dass ihr voll tauglich seid. Sonst werdet ihr in der TOWCL nicht zugelassen. Außerdem benötigen einige von euch korrektive Maßnahmen.“
„Was für Maßnahmen“, fragte Rotz. „Ich finde nicht, dass irgendwas mit mir nicht stimmt.“
„Mit Dir ist auch alles in Ordnung. Zumindest was diesen Teil der Medizinsache angeht. Ich denke da mehr an Schnubbel, Mushu und die Paarhufer. Oder Noise.“
Alle sahen zu dem DJ, der von dem Gespräch nichts mitbekommen hatte. Er bekam eigentlich nie ein Gespräch mit und da man ihm meist alles irgendwann aufschrieb, wenn man die Geduld verlor, hatte er nie Lippenlesen gelernt.
Jetzt saß er da und wippte zu irgendeiner Musik, die nur er hörte. Jemand stieß ihn an und er sah sich verwirrt um, bis sein Blick lächelnd auf Fulli fiel.
Der General legte seine Hände trichterförmig an den Mund.
„NOISE? KANNST DU MICH HÖREN?“
Der DJ kniff die Augen zusammen, dann lächelte er und schüttelte den Kopf. „NEIN, KEINE SORGE! DU STÖRST MICH NICHT! ICH HÖRE DIR ZU!“
Unwillkürlich hielten sich Rotz und Mushu, die neben dem Musiker saßen, die Ohren zu, als er seine Antwort brüllte.
Fulli zeigte auf Noise. „Er ist taub wie eine Schnecke. Im Kampf ist Funksprechen aber wichtig. Also braucht er Implantate. Alles weitere erklärt euch mein Medizinischer Stab.“
„Werd' ich meine Blaue Haut behalten?“, fragte Schnubbel und befingerte seinen Arm. „Die ist mein Markenzeichen...“
Rotz gab ihm ärgerlich einen Klaps auf den Hinterkopf.
„Du Idiot! Deine Blaue Farbe ist das schlimmste an Dir! Du kannst von Glück reden, wenn sie Dir die dämliche Mütze an den Kopf tackern. Dann bleibt vielleicht der kleine Rest von Grips in Deinem Schädel.“
Beleidigt rückte Schnubbel seine weiße Mütze zurecht und streckte Rotz die Zunge entgegen.
Die Tür ging auf und Blacky kam rein, mit eine menge Ordnern unter dem Arm.
Fulli nickte ihr dankbar zu und nahm ihr einige der Mappen ab.
„Danke, Blacky“. Er hielt eine der Mappen hoch. „Das sind die medizinischen Unterlagen von euch. Dort werden die Ergebnisse und Ärztlichen Bescheinigungen eingetragen. Desweiteren enthalten sie die Genehmigungen der TOWCL-Administration. Wir dürfen die Waffen nicht anpassen. In den Matches bekommen wir die Waffen von der Liga gestellt. Aber Team Laval hat Anträge für die Operativen Maßnahmen gestellt und heute morgen kamen die Zulassungen für euch über die Modifikationen, die wir durchführen dürfen“. Der Clanleader reichte seine Mappen an die entsprechenden Rekruten weiter. „Ich erwarte euch um Sechzehnhundert in der Medizinischen Abteilung. Wegtreten.“
Die Truppe stand auf und verließ den Raum. Alle warfen ein Blick in ihre Mappen und diskutierten mit den anderen Mitgliedern über ihre Skepsis. Sheep trottete zu Blacky und zupfte an ihrer Uniform. Sie wandte sich ihm fragend zu.
„Ist das denn erlaubt?“, wollte er wissen. „Ich meine, die Operationen, von denen Fulli spricht, sind in fast allen Staaten, die ich kenne, aus Menschenrechtsgründen verboten! Wie bekommt man für so etwas Genehmigungen?“
„Die Menschenrechte gelten, wie Du schon richtig erwähnst, nur für Menschen. Tiere anzugleichen und ihnen Vorteile zu verschaffen wie uns Zweibeinern, ist überall auf der Welt zulässig. Es wird nur kaum gemacht.“
„Weil es kaum einer kann, nicht wahr?“
„Nein“, erklärte Blacky. „Weil es zu teuer ist. Wer will schon ein Rind mit Daumen, dass später eh zu Hamburgern verarbeitet wird? In der TOWCL werden wir Wesen gegenüberstehen, die weit schlimmer sind als eine Kuh oder ein Drachen. Und sie alle werden von ihren Clans modifiziert.“
„Das ist Cheaten!“, entfuhr es dem Schaf.
Blacky schüttelte den Kopf. „Ist es nicht. Die biologischen Erweiterungen werden akribisch von der Liga-Administration überwacht. Keiner spielt mit, dessen Modifikationen nicht zugelassen und in seinen Akten eingetragen wurden. Und die Komission untersucht die Kandidaten vor den Matches selber. Wer ungenehmigte Implantate oder Erweiterungen hat, fliegt aus der Liga, dem Clan wird die weitere Teilnahme verweigert und das Strafgeld liegt derzeit bei 80.000 Dollar pro Cheater.“
„Uih!“, meinte das Schaf. „Das sollte abschreckend genug sein.“
„Wenn Du wüsstest“, seufzte Blacky.

„Darf ich vorstellen“, sagte Fulli und zeigte stolz auf die beiden Wissenschaftler: „Das ist Dr. Prof. Axt, unser Implantatschirurg und eine Koryphäe in Neurochirurgie. Und das ist sein Assistent, Dr. Delirium. Genetiker.“
Im Untersuchungszimmer wurde es auf einmal totenstill.
„Das ist ein Witz, oder?“, fragte Rotz. „Ihr habt zwei Ärzte, die Axt und Delirium heissen?!“
„Wir haben uns die Namen nicht ausgesucht“, meinte Axt trocken.
„Aber ihr habt nie über eine Änderung nachgedacht, als ihr eure Berufswahl getroffen hattet?“
„Haha, Sehr lustig“, meinte Axt. „Wenn es Dir hilft, nenn' mich Doktor Schmerz. Und Du kannst gleich als erster ran. Mein Assistent kümmert sich inzwischen um das Schaf.“
„Kreisch?“, sagte das Schaf erschrocken. „Wieso ich? Wozu brauche ich einen Genetiker?“
„Das ist nur für eine Versuchsreihe“, meinte Dr. Delirium.
„Wir haben uns ausgiebig mit Deiner Hormonproduktion befasst und uns Deine Serotoninwerte genauer angeschaut. Ehrlich gesagt, sind wir ratlos, was in Dir diese Panik auslöst. Die Menge an Adrenalin, die Du produzierst, müsste Dich normalerweise töten. Es ist uns ein Rätsel, dass Du nicht längst an einem Herzinfarkt gestorben bist.“
„Ach, und die Kugeln, die mir ständig um die Ohren fliegen, wundern euch nicht?“, sagte das Schaf und grinste breit. „Ich bin gespannt, was ein Genetiker dagegen zu tun gedenkt.“
„Wir werden einen Klon von Dir erstellen“, erklärte Delirium trocken. Wieder zog Stille durch den Raum. Sheepies Lächeln gefror. Besser gesagt, er grinste noch immer, aber der Rest von seinem Gesicht schien auf einmal nichts mehr damit zu tun haben wollen.
Urplötzlich brach schallendes Gelächter aus.
Rotz torkelte an ihm vorbei, wischte sich die Tränen aus den Augen und hielt sich den Bauch.
„Sag Hallo zu Dolly!“, brüllte er und das Gegröle im Raum steigerte sich infernalisch. Noise sah in die Gesichter um sich herum und schaute irritiert drein, weil er den Witz nicht verstanden hatte. Aus Solidarität heraus fing er einfach an, laut mitzulachen.
Axt griff ein und schnappte Rotz am Arm. „Komm mit, Junge. Eine menge spitzer Nadeln warten auf Dich.“
Rotz lachte noch immer, als der Arzt ihn in sein Untersuchungszimmer führte. Aber Axtis Blicke versprachen, dass das nicht lange so bleiben würde. Das gab dem Schaf nicht die erhoffte Genugtuung.
„Sehr lustig!“, rief er pikiert in die Menge. „Wirklich zum Totlachen! Haha, sehr lustig! Können wir jetzt damit aufhören?“
„Weiss nicht, bist Du der echte?“, jaulte Shu und wieder brüllten alle vor Lachen.
„Er wird immer der echte bleiben“, meinte Delirium mit Lauter Stimme und das Gelächter klang langsam ab. „Wir klonen nur einen Trägerkörper. Da wir einzelne Gewebeteile nicht separat züchten können, klonen wir seinen gesamten Organismus und entnehmen dann die Teile, die wir brauchen. Wir dürfen keine Modifikationen an seinem zerebralen Kortex vornehmen...“
„Schade“, grinste Pommie, „Dann bleibst Du ja ewig dumm.“
Schafis Unterlippe vibrierte zornig. „Ja, aber mein niedriger IQ bleibt wenigstens immer gleich. Du hingegen wirst jeden Tag Älter!“
Bevor Pommie zu einer scharfen Erwiderung ansetzen konnte, unterbrach Fulli das Gezanke.
„Es genügt für Heute!“, befahl er scharf. „Tragt das auf dem Trainingsgelände aus. Wie Delirium zu erklären versuchte, dürfen wir keine Modifikationen unternehmen, die seine psychischen oder physischen Leistungen erhöhen.“
Der Genetiker nickte. „Aber wir dürfen das Gegenteil tun, nämlich die Leistung verringern, auch wenn man damit einem Teammitglied einen Vorteil verschafft. Seht es als eine Art Regellücke, über welche die TOWCL-Administration mit Argusaugen wacht. Wenn wir es schaffen, Sheeps Adrenalin- und Noradrenalinausschüttung zu regulieren und vor allem zu verringern, erhöht sich seine Konzentrationsspanne und er bleibt im Panik-Modus zurechnungsfähig.“
„Wir musste ganze Drei Monate warten, bevor die Kommission das genehmigte.“
„Drei Monate?“, wunderte sich Muhi. „Aber wir sind erst seit ein paar Tagen im Clan!“
Fulli lächelte. „Ich plane gerne ein wenig voraus.“
„Wir wissen noch nicht einmal, ob die Operation den gewünschten Erfolg erzielt“, trübte Delirium die Aussichten. „Wie gesagt, bei seinem Hormonhaushalt hätte er eigentlich längst verbrennen müssen. Und was die Panik auslöst, wissen wir auch nicht. Er leidet nicht unter dem gleichen Kriegssyndrom wie Muhi, deswegen hat Kaffee auf ihn auch eine stimulierende Wirkung. Aber Psychopharmaka werden von seinem System nicht absorbiert. Also bleibt nur noch dieser Versuch. Und er ist ein Schuss ins Blaue.“
Delirium zog eine Schere aus seiner Kitteltasche und ging auf das Schaf zu. „Ich nehme jetzt eine Gewebeprobe von Dir. Die kommt dann in den Inkubationstank in eine spezielle Nährlösung. In ein paar Tagen sollten wir dann das gewünschte Gewebe haben.“
Schaf wicht zurück, blökte vor Angst und stieß bei seiner Flucht einige Stühle um, bis er unsanft an die Wand prallte. Benommen rappelte er sich auf und versuchte panisch, die Wand hoch zu klettern. Seine Hufen kratzten über die Kacheln.
Delirium schaute verwundert auf das völlig verängstigte Schaf.
„Was hat er denn?“
„Panische Angst vor Spritzen“, sagte Fulli. „Stand in seinem Dossier. Hatte vergessen das zu erwähnen. Generell hat er eine Phobie vor jedweder medizinischen Untersuchung“ Er nickte Pommie, MuhKuh und Shu zu. „Haltet das Schaf fest, damit Delirium seine Probe bekommt.“
Mit gewisser Freude stürzten sich die Drei auf das Schaf und rangen es zu Boden. Es wehrte sich wild und ließ sich schwer unter Kontrolle halten, hatte aber gegen die vereinten Kräfte der Rekruten keine Chance.
„Nihhs ubschndn!“, winselte er durch sein zugedrücktes Maul. Shu stand auf seiner Schnauze und versuchte, ihm das Knie in den Nacken zu drücken, damit das Schaf am Boden blieb.
„Schneidn schie mhr nnhhst ub!“
Delirium näherte sich dem Schaf und setzte die Schere an. Das Winseln steigerte sich in unangenehme Tonhöhen. Noise wandte überrascht seinen Kopf in Sheeps Richtung, als er etwas hörte.
Schnipp!
Das Schaf erstarrte und wagte nicht, sich zu bewegen, horchte mit wild zuckenden Augen auf etwaige Schmerzen, die jeden Moment kommen mussten.
Doch nichts passierte.
Delirium hielt zufrieden eine kleine Locke hoch. „Das war’s“, sagte er. „Ihr könnt ihn wieder loslassen.“
„Wie das war’s?“, fragte Pommie. „Brauchst Du nicht mehr von ihm? Etwas Haut? Die Leber vielleicht?“
Der Genetiker schüttelte verwundert den Kopf. „Ganz und gar nicht. Wie kommst Du darauf? In der Schafwolle sind genug Körperzellen enthalten für unsere Zwecke. Den Rest erledigt die Nährlösung.“
Enttäuscht stieg sie vom Schaf runter und auch Muhi und Shu verloren ihr Interesse an der Rangelei.
„Du hast zwei verschiedene Schuhe an“, meinte das Schaf zu Shu.
„Ich weiss nicht was Du willst!“, sagte der Rekrut und stierte zu dem Wollbündel hinunter. Schnubbel flitzte auf das Schaf zu, hob ein Ohr an und flüsterte etwas hinein. Sheep riss die Augen auf. „Oh, schon gut, Shu. Hab mich geirrt. Tut mir leid.“
Der Rekrut knurrte etwas unverständliches und ging dann in das Wartezimmer.

Mushu saß auf dem Untersuchungstisch und ließ seine Beine baumeln. Dr. Axt und sein Assistent schoben gerade eine mannshohe Stasiseinheit herein. Das Sichtfenster war von innen beschlagen und man konnte nicht sehen, wer darin lag.
Der Drache beäugte mit mäßigem Interesse das riesige Gerät und die Ärzte, die an den Kontrollen herumfummelten.
Bisher hatte er nur hier gesessen und gewartet. Mehr aus Spaß als dass es nötig war, hatte er sich einen Patientenkittel angezogen. Erstaunlicherweise gab es welche in jeder Größe.
Auch für Minidrachen.
Ein Zischen erregte seine Aufmerksamkeit. Weißer Dampf strömte aus Lüftungsschlitzen und wallte über den Boden, als die Ärzte die Reanimationsprozedur abschlossen und das Freongas aus der Kammer pumpten.
Der Kokon sprang auf und im inneren, auf einer pneumatischen Liege lag ein junger, sehr blasser Mann mit einer Augenklappe und Mundschutz.
„Oh, eine Leiche“, meinte Mushu desinteressiert.
„Hell, Yeah!“, sagte die vermeintliche Leiche und richtete sich mühsam auf. Der Drachen erschrak und viel von der Bahre.
„Meine Güte, der lebt ja noch!“
Axti half dem Mann aus der Stasiskammer und streifte Mushu mit einem verständnislosen Blick. „Natürlich. Was denkst, warum wir ihn darin aufbewahren?“
„Ah“, meinte das Reptil und winkte dem Mann zu. „Äh, Hallo. Ich bin Mushu.“
„soniruT“, antwortete Turinos keuchend. Mushu hob eine Augenbraue.
„Das sind Nachwirkungen des Kälteschlafs“, erklärte Axti. „Dann spricht er manchmal rückwärts.“
„Interessante Nebenwirkung“. Er schaute wieder zu dem aschfahlen Mann, der jetzt unsicher neben dem Kokon stand. Dr. Delirium heftete gerade verschiedene Sonden an seinen Oberkörper. „Wie geht es Dir? Gehörst Du auch zu der Truppe?“
Turinos blickte nur kurz zu dem Drachen auf.
„noob“, sagte er schlicht.
Der Drache zuckte zurück. „Nicht grad freundlich der Mann!“
Axti zuckte mit den Schultern. Er war zu beschäftigt damit, die Daten von den Geräten abzulesen, die gerade die Vitalwerte von Turis Sonden empfingen. Er nickte Delirium zu. „Sieht gut aus“, sagte er.
„Den Umständen entsprechend. Zwei Stunden. Maximal. Dann muss er wieder zurück.“
„Was hat er denn?“, fragte der Drache, seine Neugierde nun entgültig geweckt.
„Eine seltene Blutkrankheit“. Axti bereitete gerade eine kleine Phiole zur Blutentnahme vor. Die Nadel war erstaunlich dünn, fand Mushu. „Schwer zu heilen. Fast gar nicht. Deswegen halten wir ihn in Stasis. Er leidet unter enormen Blutmangel und wenn er zu lange aktiv ist, versagt sein Metabolismus und Gewebe stirbt ab aufgrund des mangelnden Sauerstofftransports.“
„Und dann wollt ihr ihm noch mehr Blut abnehmen?“, wunderte sich Mushu.
Axti schüttelte den Kopf und grinste sadistisch.
„Die Nadel ist für Dich gedacht, kleiner Freund. Wir nehmen Dir Blut ab?“
Das Reptil wurde blass, was bei ihm zu einer rosa Hautfarbe führte.
„Ich hab mich wohl verhört! Ich wollt das Ding da in mich hineinstechen?“
„Geht ganz schnell und tut nur ganz kurz höllisch weh“. Axti ging zu dem Drachen und zielte mit der Nadel auf ihn.
Mushu wich zurück, indem er seinen Körper durchbog und die Nadel mit gespreizten Fingern von sich wegdrückte.
„Das könnt ihr vergessen!“, keifte er. Rauch quoll aus seinen nervös zuckenden Nüstern. „Was wollt ihr überhaupt mit meinem Blut?“
„Hast Du Deine medizinischen Unterlagen nicht gründlich gelesen?“
„Eigentlich habe ich sie gar nicht gelesen“, sagte der Drache unruhig. „Ich brauche schließlich keine Modifizierung.“
Axti nickte fröhlich. „Eben, weil Du ein Drache bist. Ihr könnt eure Gestalt anpassen, selbst so kleine wie Du. Weil ihr magische Wesen seid. Turis Krankheit erfordert eine lange Therapie, von der wir nicht einmal wissen, ob sie Früchte trägt. Dein Blut aber ist magischer Natur und besitzt, wie alles andere an Dir, enorme regenerative Kräfte. Wir haben vor, damit eine Therapie für Turinos durchzuführen.“
Mushu zitterte, als er ein weiteres mal der Nadel auswich.
„Hast Du mich mal genau angesehen? Ich bin gerade Dreißig Zentimeter groß! Für so eine Therapie braucht man doch sehr viel Blut!“
„Du hast es erfasst“, erklärte Axti in stoischer Ruhe. „Wir brauchen mindestens 250ml für eine erfolgreiche Therapie. In Deinem Körper sind aber maximal 200ml. Wir nehmen Dir heute 50 ab, eine Menge, die Du locker verkraften kannst. Das machen wir sechs Wochen lang, dann hast Du es überstanden und wir haben einen voll funktionstüchtigen Sniper.“
„Holt euch einen anderen!“, rief Mushu entsetzt.
„Was? Sniper?“
„Nein! Drachen!“, sagte Mushu panisch und flitzte von der Bahre.
„Was für eine idiotische Idee!“, fluchte er, während er mit wehendem Gewand durch die Gänge schoss. „Bluttherapie mit einem Drachen! Das ist der Grund, warum ich Menschen nicht mag!“

Sheep stand im Gang vor dem Untersuchungszimmer und rauchte eine Zigarette. Dann seufzte er leise. Es war ein harter Tag gewesen. Also sog er die ganze Kippe in sein Maul und kaute zufrieden darauf rum.
Mushu hetzte um die Ecke und sah dankbar zu dem Schaf.
„Dich schickt der Himmel!“, rief der Drache und hielt auf das Wolltier zu.
„Und Dich die Hölle“, antwortete Sheep trocken. „Warum diese Eile?“
„Die Quacksalber wollen mich leer pumpen! Mir mein Blut absaugen!“
Sheepies Augen erhellten sich. „Ach echt? Warum?“
„Eine Therapie für Turinos!“
„Die Sniperleiche? Interessante Idee.“
„Ja, wenn es nicht mein Blut wäre! Hilf mir!“
Das Schaf sah sich gemütlich um. „Wie kann ich Dir denn helfen, o großer, mächtiger Drache?“
„Versteck mich in Deinem Fell!“
Schaf glotzte den verzweifelten Drachen an. „Machst Du Witze?!“
Mushu schüttelte den Kopf. „Ich bin klein! Wenn ich mich mit dem Kittel hier in Deiner Wolle verstecke, finden die mich nie!“
„Vor nicht ganz zwei Tagen hast Du mir das komplette Fell abgefackelt. Und jetzt soll ich Dich darin verstecken?“
„Bitte“, flehte das Reptil. „Dann hast Du was gut bei mir!“
Das Schaf dachte kurz nach. Eigentlich schindete er nur Zeit, um den Drachen noch eine weile Schwitzen zu sehen. Als das Fußgetrappel näher kam, machte er mit seinem Kopf eine einladende Bewegung. „Na gut. Spring auf.“
„Danke! Ich schulde Dir was!“, seufzte der Drache und sprang auf Sheepies Rücken.
Dr. Axt und Delirium schlitterten um die Ecke und schauten verwirrt in die Gänge. Dann entdeckten sie das Schaf, dass an der Wand stand und seine Zigarette kaute.
„Hey, Sheep. Hast Du zufällig Mushu hier vorbeilaufen sehen?“
„Den Drachen“, fragte Schaf mit süffisantem Lächeln. „Oh, ja. Der versteckt sich gerade in meinem Fell.“
Die Wolle auf seinem Rücken zuckte und fing an zu zittern.
Hastig eilten die Ärzte herbei und griffen sich das wütende Reptil, dass sich mit allen Vieren an Sheepies Wolle festkrallte. „Das könnt ihr nicht machen! Ihr miesen Vampire!“
Mit einem schmerzhaften Ruck rupften sie den Drachen aus der Wolle. Sheep ignorierte das dumpfe ziehen, der Genuss der Rache machte alles wett.
Die Ärzte schlenderten mit dem wütenden Drachen in der Hand davon. Mushu ballte eine Faust und schüttelte sie in Richtung des Paarhufers. „Du bist Böse, Sheep! Wirklich Böse! Das werd' ich Dir nie verzeihen!“
„Ich denke, wir sind quitt!“, rief das Schaf fröhlich hinterher und sog eine neue Kippe aus der Packung auf dem Boden.

 


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