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Tactical-Paarhufers
Kapitel 6

Es klopfte an der Tür und Fulli sagte beiläufig „Herein“, sah nicht vom Schreibtisch hoch, auf dem sich Akten und Papierstapel türmten. Die Tür öffnete sich und Black Scorpion schritt herein.
Erst als sie vor dem Schreibtisch stand, blickte der Clanleader in auf.
„Blacky“, sagte er freudig überrascht. „Was führt Dich zu mir?“
„Ich dachte, Du könntest eine Pause vertragen. Lass uns einen Kaffee in der Kantine trinken.“
Fulli rieb sich den Nacken und lächelte dankbar. „Eine phantastische Idee. Der Schreibkram bringt mich um.“
„Man sollte meinen, Turniere hätten mehr mit Waffen und Training zu tun“, stimmte Blacky ihm zu, als sich beide auf den Weg machten. "Aber der Papierkrieg lässt alles andere wie blanker Hohn aussehen.“
„Wie war das früher, als Du noch Offizier warst? Sicher war es nicht so schlimm, oder?“
Die Adjutantin schüttelte den Kopf. „Schlimmer. Wir bekamen Verträge, Dokumente und Protokolle von der NATO, der UNO und von so ziemlich allen zivilen Behörden. Der interne Papierkrieg noch nicht einmal mitgezählt. Und dann bitte in vierfacher Ausführung und bis gestern erledigt. Manchmal wünschte ich mir einen Flammenwerfer.“
„Für die ganzen Papierstapel?“
Blacky schüttelte den Kopf. „Für die Bürokraten. Die sind schlimmer als jeder Terrorist.“
Fulli nickte. Da war was dran.
Beide füllten sich eine Tasse an der Kaffeemaschine ab und setzten sich an einen der kargen Tische in der Messe.
„Also, was ist wirklich los, Blacky?“
Unschuldig schaute die Offizierin auf und nippte an ihrem heißen Getränk.
„Komm schon“, lächelte Fulli und beugte sich ein wenig vor. „Das letzte mal, dass wir zusammen einen Kaffee getrunken haben, war zwei Monate nach der Clangründung. Seit dem bringt mir Sonja immer meinen Stoff.“
Black Scorpion lehnte sich zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. Sie sah nachdenklich aus.
„JetLi kritisiert immer Deine Wahl der Rekrutierungsteams.“
„Er kritisiert auch die Rekruten, die ich wähle. Was ist der Punkt?“
„Ich bin diesmal mit ihm einer Meinung. Denkst Du, es war klug, die Paarhufer zu trennen und sie mit Redrum und Scorpion loszuschicken?“
Fulli zuckte mit den Schultern. „Diesmal ging es nicht anders. Wir brauchen die Kuh in Irland. Sie hat zu unserem neuen Rekruten einen besseren Zugang. Außerdem habe ich ihnen Mushu mitgegeben. Diesmal ohne sein Mittel zur Unterdrückung. Und Turi ist Backup in Holland.“
„Ja, aber warum hast Du Sheep nicht mit nach Irland geschickt? Dort gibt es so viele Schafe, er würde nicht einmal auffallen!“
„Denkst Du“, erwiderte Fulli. „Seit 2017 sind die Umstände dort viel heftiger geworden. Die IRA ist aktiv wie nie zuvor, seit die Engländer mit ihrem sogenannten Gathering-Program versagt haben. Die Katholiken prügeln sich mit den Protestanten, die Protestanten mit den Katholiken und beide hauen den englischen Truppen auf dem Kopf, die wiederum schwere Geschütze auffahren. Es ist schlimmer als vor Dreissig Jahren. Viel schlimmer.“
„Was hat das mit Schafen zu tun?“
Fulli legte seine Handflächen auf den Tisch. „Schafe sind dort das Nahrungsmittel Nummer eins. Bauern werden entrechtet und das Vieh in Massen geschlachtet, um die englischen Truppen zu versorgen. Die Nachschublinien werden von der IRA ständig angegriffen und überfallen. Die Einwohner versuchen ihrerseits das Vieh in Sicherheit zu bringen, nur um es dann selber zu schlachten und für ihre Truppen zu gebrauchen.“
„Dann ist eine Kuh dort auch nicht sonderlich sicher.“
„Leider. Aber es geht nicht anders. Und wie gesagt, Mushu ist bei ihnen. Die Iren sind ein abergläubisches Volk. Wenn der Drache sich ein wenig aufbläst, werden sie genug Respekt vor ihm haben, um seine Kuh nicht anzurühren.“
Blackys Augenbrauen wanderten zum Haaransatz. „Seine Kuh?!“
„Ja“, meinte Fulli. „Er wird allen sagen, dass sie sein Eigentum ist. Sozusagen als Wegration. Und wer will einem Drachen schon sein Futter stehlen?“
„Jeder, der größer ist als Dreissig Zentimeter...“
„Okay, mag sein. Mushu entspricht nicht ganz der Vorstellung der schuppigen Mythologien. Aber er kann immer noch Feuer spucken.“
„Dein Wort in Gottes Gehörgang“, murmelte Blacky und sah nicht überzeugt aus. „Und Sheep ist mit Scorpion in Holland. Das halte ich für einen Fatalen Fehler.“
Fulli breitete fragend die Arme aus. „Warum? Weil Scorpion ihm immer noch das mit dem Motorrad nachträgt? Er hat dafür ein neues bekommen. Über den Clan-Etat. Und die beiden müssen ihre Differenzen beilegen. Was ist da besser geeignet als eine gemeinsame Mission?“
Blacky schüttelte den Kopf. „Ich weiss nicht. Dir ist schon klar, was ein Schaf frisst?“
Fulli schaute seine Adjutantin irritiert an. Dann riss er erschrocken die Augen auf und griff unter seine Jacke.
„Mist!“, fluchte er kurz darauf. „Mein Handy liegt auf meinem Schreibtisch! Hast Du eines dabei?“
Blacky lächelte, wie Frauen eben lächeln, wenn sie die Fehler der Männer korrigieren und reichte dem General ihr Mobiltelefon. „Scorpis Nummer ist eingespeichert.“
„Danke“, sagte Fulli hastig und tippte eilig auf den Tasten herum.

Red Scorpion sah sich besorgt um. Bis eben war die Reise nach Holland recht angenehm gewesen und er hatte sich tatsächlich sehr gut mit dem Schaf verstanden, war sogar bereit gewesen, dem Vieh die Sache mit dem Motorrad zu verzeihen, wäre da nicht gerade was anderes passiert.
Wer hätte gedacht, wie Stur diese Wollviecher sein konnten. Und vor allem wie verfressen! Zerren, drohen, flehen, all das half nicht. Das blöde Biest stand auf der Wiese und schlug sich genüßlich den Magen voll. Das konnte nur Ärger geben.
Sein Handy brummte in der Tasche und er nahm es heraus.
„Fulli hier. Scorpion, bist Du dran?“
„Wer sonst?“, gab der Krieger zurück.
„Hör zu, es ist sehr wichtig! Ich habe bei meiner Organisation wohl einige Dinge nicht beachtet. Wenn Du losgehst, dann lass das Schaf im Hotel oder auf einer Wiese, nur nimm es nicht mit! Geh statt dessen mit Turinos hin, hörst Du?“
Mit leidigem Blick schaute Scorpi zu dem Schaf hinüber.
„Ich glaube, dafür ist es schon zu spät...“
Sheep senkte seinen Kopf, roch an den saftigen, blühenden Tulpen und stülpte sein Maul über das nächste Bündel. Mit einem feuchten Knacken zermalmte er die farbigen Blütenkörbe und kaute mit voller Zufriedenheit darauf herum.
„Oh nein!“, meinte der Clanleader. „Du musst ihn davon abhalten!“
„Schieb Du mal ein Schaf weg! Der nimmt mich gar nicht mehr wahr!“
„Wie viele hat er schon gefressen?“

everytime u masturbate, god will kill an innocent kitten!


Scorpi wandte den Kopf herum. Der Weg über die Wiese zu dem kleinen Haus hin war deutlich gekennzeichnet von einer Schneise abgefressener Tulpenstengel.
Dazwischen lag irgendwo ein Beet, das an eine kunstvolle Anordnung erinnerte. Jetzt waren da nur noch tropfende grüne Stiele, die traurig aus der Erde herausragten.
„Genug, um uns allen eine menge Ärger zu machen. Soll ich das Schaf erschiessen?“, fragte Scorpi hoffnungsvoll.
„Das kann von ganz alleine passieren. Gib Turinos Anweisungen, das Schaf zu decken. Ich denke, ihr bekommt bald Kontakt.“
Die Verbindung wurde unterbrochen und Scorpion steckte seufzend das Handy weg.
Er drückte den Transceiver hinter seinem Ohr.
„Turi, bist Du in Position?“
„Hell, Yeah“, knackte es im Lautsprecher. „Wenn er das Haus verlässt, wenn er sich nur am Fenster zeigt, hab ich ihn.“
„Schiess bloß nicht auf ihn!“, warnte Scorpion. „Sorg' nur dafür, dass er das Schaf nicht übern Haufen knallt.“
„Ich soll was?“, überschlug sich die Stimme im Funkkanal. „Das blöde Biest frisst ihm seine preisgekrönten Tulpen weg und ich soll es auch noch decken? Wir sollten das Viech abknallen! So machen wir uns Freunde!“
„Ich wünschte, ich könnte Dir zustimmen. Jetzt können wir nur noch...“
Ein Schuss knallte und pflügte die Erde vor dem Schaf. Erschrocken blökte es auf und sprang hoch, hoppelte auf Scorpi zu und versteckte sich hinter ihm.
„Es ist beschämend, wie feige Du bist“, murmelte der Krieger resigniert. „Kannst Du nicht einmal für Deine Taten grade stehen?“
„Was denn?“, winselte das Schaf. „Ich hab nur ein paar Blumen gefressen! Die standen hier doch überall rum!“
„Und Dir kam nie in den Sinn, dass sie jemand angepflanzt haben könnte? Insbesondere, da wir uns auf einem Privatgrundstück befinden?“
„Warum sollte jemand so etwas anpflanzen, wenn es nicht zum fressen ist?“, fragte das Schaf stur. „Außerdem: Ich habe keinen Zaun gesehen!“
Scorpi seufzte. Er erwägte, einen Schritt zur Seite zu gehen, und den Besitzer dieser herrlichen, jetzt aber ein wenig kahlen Wiese das Problem zu überlassen. Skrupel sind manchmal eine wirklich hinderliche Sache.
Ein Junger Mann im Gärtneroutfit stürmte aus der Tür des Hauses, in seiner Hand ein langes Gewehr mit Zielaufsatz.
Das muss er sein, dachte Scorpi. Und wenn er die Entfernung zum Haus bedachte, war dies eben nur ein Warnschuss und nicht ein fehlgeschlagener Versuch, das Schaf abzuknallen. Vielleicht war doch noch nicht alles verloren.
„Ist das deine blöde Schaf?“, fragte der aufgebrachte Gärtner und schielte zu Sheep, der zitternd hinter Scorpi hervorlugte.
„Er gehört zu meinem Team, wenn Du das meinst.“
„Dann gehört er Dir nicht?“
Red Scorpion grinste und schüttelte den Kopf.
„Dann geh eine Schritt zu Seite und lass mich das blöde Hammel erledigen! Ich habe viele gute Jahre an dieser Wiese gearbeitet!“
Scorpi machte einen Seitenschritt.
Sheep warf sich auf den Boden und fiepte vor Angst. „Estutmirleid! Ich konnte doch nicht wissen, dass die Dinger jemandem gehören! Da war nirgendwo ein Schild! Tutmirleid!“
„Da war eine Gartentor, Du blödes Schaf! Du kannst nicht denken aber willst Schilder lesen? Ich mach Dich alle!“
Der Holländer legte an, als ein Schuss direkt vor seinen Füssen die Erde aufwühlte.
Er ließ das Gewehr sinken. „Ihr habt noch einen mitgebracht. Sehr klug“. Er reckte den Hals, um nach dem Schützen Ausschau zu halten.
Ein schlanker, junger Mann mit einem wuchtigen Scharfschützengewehr kam von einem kleinen Hügel her angeschlendert und grinste breit übers ganze Gesicht.
„Da soll mich doch der Efeu holen! Ist das Turinos?!“
Scorpion entspannte sich und nickte erleichtert. „Du kennst ihn?“
„Soll das ein Witz sein? Wir waren in der gleichen Einheit im Scharfschützencorps! Er ist eine alte Kamerad und gute Freund von mir!“
Die beiden Männer begrüßten sich überschwenglich.
„Siehst Gut aus, Mann!“, sagte der Holländer freundlich. „Hast Dich erholt von Deine dumme Krankheit?“
„Hell, Yeah!“, antwortete Turi. „Die Truppe, für die ich jetzt arbeite, hat einige nette Möglichkeiten. Bin kerngesund!“
Sinti zog die Augenbrauen zusammen. „Was ist das für ein Trupp?“
„Nennt sich Team Laval. Ein Haufen Noobs, aber ganz in Ordnung. Sie könnten Verstärkung gebrauchen, die ihnen mal so richtig in den Arsch tritt.“
„Und da dachtest Du an mich? Ich mache das nicht mehr“. Er drehte sich um und zeigte mit einer ausladenden Geste über seinen riesigen Garten. „Ich habe meine alte Job wieder aufgenommen. Die letzten Fünf Jahre war ich Pokalhalter in den Holländische Tulpenzüchterverband.“
„Mann Sinti“, stöhnte Turinos und schüttelte den Kopf. „Willst Du mir allen ernstes erzählen, Blümchen pflanzen ist Deine ganze Erfüllung?“
Der Holländer wiegte seinen Kopf. „Ja gut, ein wenig fehlen mir die alte Zeiten schon. Es ist ruhig hier, aber manchmal ein wenig langweilig. Nur kann ich die Tulpen hier nicht alleine lassen. Die brauchen viel Pflege.“
„Wir haben einen großen Garten im Stützpunkt“, meinte Turi beiläufig.
Sintenels Augen wuchsen. „Einen Garten?“
Der Scharfschütze nickte. „Kann sich nur keiner drum kümmern.“
„Dasistmeingarten!“, meckerte das Schaf.
Turis Kopf ruckte herum und er funkelte Sheep an. „Jetzt nicht mehr.“
„Määhnno“, heulte das Vieh und wollte beleidigt davon trotten, als ihn jemand am Nacken packte. Turinos hob das winselnde Schaf hoch und hielt es dem Holländer hin.
„Was sagst Du? Ein Garten, in dem Du so viele Tulpen pflanzen kannst, bis Dir schlecht wird, und Du darfst Dich an Sheepie rächen, hm?“
Sinti nickte fröhlich und meinte: „Okay. Das ist ein schönes Angebot.“
„Du kannst mich doch nicht....“, kreischte das Schaf, doch da schnappte schon Sintenel nach ihm und schleifte ihn zum Haus.
„Wir sehn uns später, Turi!“, rief er den beiden Männern zu. „Holt mich zur Abreise ab!“
Er warf das Wollviech auf die Wiese und gab ihm eine MP. „So, und Du, mein wolliger Freund, wir beide machen jetzt einen Crashkurs in Gartenpflege. Ich gebe Dir Zwanzig Sekunden Vorsprung!“
Schaf nahm mit zitternden Pfoten die MP auf und schaute sich verzweifelt nach Deckung um.
Dummerweise fiel sein Blick auf eine kleine Tulpeninsel, die noch gänzlich unberührt war...

Mushu reichte der Kuh einen weiteren nassen Lappen.
„Tut mir wirklich leid“, sagte er noch einmal. Die Kuh grummelte nur und tupfte sich mit dem Lappen über den geröteten Kopf.
„Sag doch einfach bescheid, wenn Du Feuer spuckst! Dann zieh ich meinen Kopf runter!“
„Ich sagte doch, dass es mir leid tut! Wie konnte ich wissen, dass Du genau dann Deinen Dickschädel hebst!“
„Seid ihr bald soweit?“, fragte Redrum genervt. „Wir sind gleich da und das letzte, was ich brauche, sind zwei Tiere, die sich streiten, während hier die Kugeln fliegen!“
„Muss die Echse auf mir reiten?“, grummelte Muhi. „Wenn ich schon sein Futtertier sein muss, kann er wenigstens laufen!“
„Meine Beine sind kürzer als Deine!“, protestierte der Drache. „Außerdem bin ich keine Echse! Wie oft muss ich das noch erklären!“
„Dann flieg doch, Du großer Drache!“
„Du willst wohl noch ne Ladung Feuer, was?“
„Ruhe, verdammt!“, schrie Reddy außer sich. „Ihr macht das schon die letzten Siebzig Kilometer! Wenn das so weiter geht, verkauf‘ ich euch an die hungernden Iren!“
Mushu stellte sich auf dem Rücken des Paarhufers auf und stemmte herausfordernd die Hände in die Hüften. „Ach ja? Und wie erklärst Du das dann Fulli?“
Redrum schaute unschuldig zum Himmel, als wolle er das Wetter prüfen. „K.I.A., Mushu, sagt Dir das was? Ein bedauerlicher Zwischenfall, hier in Irland nichts besonderes. Benehmt ihr euch endlich?“
Die beiden murmelten etwas, unterließen aber ihre Streitigkeiten. Redrum seufzte erleichtert auf und das Trio setzte seinen Weg fort.
Die Gegend hätte wunderschön sein können: Grüne Felder, weite idyllische Wiesen und überall die kleinen Mauern. Dahinter Berge und verträumte Täler. Nur nirgendwo Schafe oder anderes Vieh. Und die kleine Stadt vor ihnen bestand praktisch nur noch aus Ruinen.
Gerippe zerbombter Gebäude ragten wie monumentale Grabsteine empor. Kein einziges Fenster war noch heil, die Wände waren mit unzähligen Einschüssen übersät.
„Es ist so still hier“, flüsterte Muhi.
Seltsam, dachte Mushu. Eine Eigenart der Säugetiere. Wenn es total still ist und keiner da zu sein scheint, flüstern sie immer.
„Sind wir hier richtig? Es ist niemand hier.“
Redrum holte die Karte hervor. „Das ist Gainheam“, antwortete er. „Kein Zweifel. Wir sind hier im richtigen Ort.“
„Aber die Zelle, für die Ryo arbeitet, könnte die Stadt aufgegeben haben und die rebellieren jetzt woanders.“
„Glaub ich nicht“, schüttelte Redrum den Kopf. „Blacky hat uns die Daten beschafft. Und ihre Quellen sind zuverlässig.“
„Aber wir sind die einzigen hier!“, wiederholte Muhi stur.
Doch Mushu zog ihm am Ohr und gebot ihm, still zu sein.
Seine überempfindlichen Drachensinne nahmen ganz andere Dinge wahr.
„Die Stadt ist keineswegs verlassen“, teilte er den anderen mit, allerdings ohne zu flüstern. Man hatte sie sowieso schon entdeckt. Also war es egal. „Hier verstecken sich eine ganze menge Leute!“
Von irgendwo her hörten sie das Durchladen mehrerer Waffen. Gesichter tauchten auf – und vorallem lange Läufe, die alle in nur eine Richtung zeigten.
„Seht ihr?“, sagte der Drache überflüssigerweise.
Eine Gruppe von vier Leuten schlenderte die Straße lang auf sie zu. Sie waren nicht sonderlich groß, bis auf den Mann an der Spitze. Und seine Kleidung erinnerte mehr an die eines Bauern. Die Typen hinter ihm waren weit moderner gekleidet, in graudunklen Tarnklamotten und offensichtlich gepanzert.
Erst als sie näher kamen, sah Mushu, dass die kleinen Männer Kinder und Jugendliche waren.
„Was für Schweine“, murmelte Muhi. „Sie ziehen ihre Kinder immer noch mit in ihre Kriege.“
„Das tun sie nicht“, meinte der Drache. „Die Kinder sind freiwillig dabei. Es ist das alte Spiel. Die Mütter fluchen und versuchen, ihre Söhne und Töchter davon abzuhalten. Und die Väter sind stolz wie Sau auf sie.“
„Verwirrend“, meinte Redrum und ging auf den Führer zu.
„We don’t come to fight“, erklärte er. „And we’re not english soldiers. We are from germany and we have a serious but kinda strange request.“
Der Mann sprach etwas, was Redrum nicht verstehen konnte.
„Please, can you speak a littlebit slower? I didn’t understand a single word.“
Wieder sprach der Mann im unbekanntem Dialekt und wirkte seinerseits verwirrt.
„Der spricht keinen Dialekt“, meinte Mushu. „Der spricht gälisch. Vermutlich kann hier kaum einer englisch.“
Der Drache sprang von den Schultern der Kuh, was einigen Aufruhr verursachte. Bis dahin hatte man das Reptil kaum bemerkt. Jetzt, wo er belanglos zum Mann hinschlenderte, geriet die kleine Gruppe in Panik und richtete die Waffen auf ihn. Überall in den Häusern klickten Waffen, die Schussbereit gemacht wurden.
Mushu sprach ruhig auf den Mann ein, der sich daraufhin ein wenig entspannte.
Kurze Zeit später hob der Ire die Hand und die Köpfe in den Fenstern und Hauseingängen verschwanden.
Die beiden unterhielten sich einen Augenblick, dann nickte der Mann eifrig und zeigte auf eine niedrige Hausruine.
„Alles klar. Er bringt uns zu Ryo. Er meint, er ist der einzige in dieser Zelle, der fließend Englisch sprechen und lesen kann. Und er sagte auch, das ist der einzige Grund, warum er bei ihnen ist. Anscheinend ist er kein sonderlich begabter Schütze.“
Die Gruppe setzte sich in Bewegung und die Kuh beäugte das Reptil erstaunt. „Du kannst gälisch?“
„Ich bin ein Drache“, antwortete Mushu. „Wir sprechen jede menschliche Sprache.“
„Was für ein Glück“, meinte Redrum.
Einige Minuten später erreichten sie das kleine Gebäude und der Ire führte sie in einen Keller, wo sich eine ganze menge Leute aufhielten.
Der Krieg hat sich ziemlich verändert, stellte Mushu fest.
In dem Keller lagerten modernste Waffen aus Deutschland, Frankreich und auch von den Amerikanern. Die Menschen waren hier in jeder Altersgruppe vertreten. Kinder bis hin zu alten Männern. Und die meisten von ihnen trugen moderne Tarnkleidung und Splitterschutzwesten.
Der große Mann rief etwas auf gälisch und die Menge teilte sich, damit er die Gruppe hindurch führen konnte. Das war die zweite merkwürdige Sache, die Mushu auffiel. Jeder schaute auf die Kuh. Einige grinsten. Aber kaum jemand schenkte dem Drachen Beachtung. Zumindest längst nicht so viel wie der Muhkuh.
Der Ire führte sie in den hinteren Teil des Kellers.
Als sie sahen, wer dort saß, hätte der Drache am liebsten laut aufgelacht. Muhi und Redrum hingegen starrten sprachlos auf die Kuh, die dort saß, eine Kippe im Maul und hörte über ein altes Funkgerät den Nachrichtenverkehr der Engländer ab. Die ganze Zeit machte er Notizen auf einem zerfleddertem Block.
„Ryo?“, fragte Redrum ungläubig. „Ryo Hazuki?“
Die Kuh hob den Kopf und schaute auf. „That’s me!“, sagte sie muhend. „What’s up?“
„Uhm, that is quite a surprise“, brachte Reddy hervor.
Mushu sprang an den beiden Kameraden vorbei und fing mit der Kuh eine Unterhaltung an, auf gälisch, damit die Iren alles mitbekamen und nicht misstrauisch wurden.
Irgendwann im Gespräch mischte sich wieder der Mann ein und sagte etwas, wirkte dabei aufgeregt und winkte energisch mit der Hand.
„Ryo hat kein Problem, uns zu begleiten“, übersetzte der Drache. „Sie lassen ihn hier nicht schiessen. Und das findet er doof. Aber die wollen ihn nicht gehen lassen.“
„Warum nicht?“, fragte Redrum.
„Weil er der einzige ist, der gut genug Englisch spricht. Er hört den Funkverkehr der Engländer ab und mimt hier den Dolmetscher.“
„Warum kann hier keiner englisch?“
Mushu wandte sich dem großen Iren zu und stellte ihm die Frage. Auf gälisch kam eine verächtliche Antwort. Mushu lächelte.
„Das alte Problem. Seit Jahren wird verboten, Gälisch in den Schulen zu unterrichten. Als die Iren an Einfluss gewannen, haben sie aus Protest beschlossen, kein Englisch mehr zu lehren und nur noch ihre alte Sprache zu benutzen.“
„Ziemlich dumm, wenn Du mich fragst“, meinte die Kuh.
Mushu nickte. „Auf den Trichter sind die auch schon gekommen. Oder denkst Du, die freuen sich darüber, eine Kuh als Dolmetscher bemühen zu müssen?“
Redrum überlegte kurz.
„Wir könnten ihnen im Austausch für Ryo Notebooks liefern. Und Software, die den Funk automatisch übersetzt. Mach ihnen das Angebot.“
Mushu redete auf den Mann ein. Der schüttelte zuerst den Kopf, doch als Ryo sich einmischte, hörte er eine weile nachdenklich zu und nickte dann, sprach aber noch eine Forderung.
Das konnte zumindest nur eine Forderung sein, dachte Redrum. Die Körpersprache dieses Kerls verlangte kaum nach einem Dolmetscher.
„Sie sind einverstanden, wenn wir noch eine Lernsoftware für Englisch drauflegen.“
„Sollte sich machen lassen.“
„Und Ryo bleibt so lange hier, bis sie die Geräte haben.“
Redrum ließ die Schultern hängen. „Das hab ich befürchtet. Frag ihn, ob ich irgenwo hier nach Deutschland telefonieren kann. Mein Handy hat schon seit Fünfzig Kilometern kein Netz mehr.“
Mushu palaverte mit der Kuh und dem Anführer. Indessen gingen Redrum und Muhi durch den Keller.
Die meisten Leute grinsten, betatschten die Kuh und stellten ihr Fragen. Einige taten das in einem brüchigen Englisch und Muhi tat sein bestes, um zu antworten. Insbesondere die jungen Widerstandskämpfer lachten und freuten sich, wenn die Kuh sprach. Ein zweiter Paarhufer, der sprechen konnte, schien sie zu erstaunen.

Fulli legte auf und wirkte sichtlich erleichtert. Blacky bedachte ihn mit einem fragendem Blick.
„Ist alles gutgegangen“, meinte der Clanleader. „Zumindest den Umständen entsprechend. Ryo wird bald nach Deutschland kommen. Allerdings musst Du Dich um einhundert Notebooks kümmern. Ich gebe Dir die Liste mit der Software, die installiert sein muss.“
„Notebooks? Für Irland?“, wunderte sich die Adjutantin.
Fulli zuckte mit den Schultern. „Ich erkläre es Dir später. Auf jeden Fall war das die Bedingung, damit sie Ryo gehen lassen.“
„Wie Du meinst. Was ist mit Sintenel?“
der General seufzte. „Genau wie Du befürchtet hast, hat sich das Schaf sofort auf die Tulpen gestürzt. Turinos hat ihm gestattet, sich in entsprechender weise zu entschädigen.“
„Hm“, meinte Blacky. „In meinen Augen fair. Wie geht es Sheep?“
„Scorpis Berichten nach schon um einiges besser. Der Holländer scheint ziemlich gut zu sein.“
Die Frau lachte laut auf. „Misst Du die Fähigkeiten der Leute schon danach, wie lange das Schaf braucht, sich zu von ihnen zu erholen?“
Fulli zuckte mit den Schultern. „Ist ein guter Level. Morgen müssten alle ankommen. Ach ja da wäre noch eine Sache. Was ist mit Abschnitt C-21?“
Blacky dachte kurz nach. „Soweit ich weiss, ist der unbenutzt. Warum fragst Du?“
„Wir sollten es umbauen lassen.“
„In was denn? Es ist der Mittelhof vom C-Block. Wir wussten nie was mit ihm anzufangen.“
„Ja, aber da waren wir noch wenige. Lass ein paar Gärtner kommen und Erde streuen. Sintenel kann sich dann da austoben und unsere Paarhufer behalten ihre Weide.“
„Und was ist mit C-21? Wenn die Biester dort vorbei kommen, fressen sie dem Holländer doch alles weg. Anscheinend können sie Tulpen nicht widerstehen.“
„Dann gib Sinti die Erlaubnis, Selbstschussanlagen aufzustellen. Oder Minen, oder irgendwas?“
Blacky runzelte die Stirn. „Wäre ein aufklärendes Gespräch nicht sinnvoller?“
„Bei Paarhufern? Nein, nein. Drastische Maßnahmen bleiben bei den Tieren eher hängen. Außerdem stärkt es den Kampfgeist und ist zusätzliches Training. Kümmer' Dich darum.“
„Schon unterwegs.“
Blacky verließ Fullis Büro und ging zurück in ihr eigenes.
Das Flurfenster zeigte auf den sekundären Trainingsparcour. Wie immer scheuchte JetLi seine Rekruten über das Gelände. Anscheinend tat er nichts anderes.
Der Engel sprang gerade auf seinem Snipergewehr auf und ab und schimpfte wie ein Rohrspatz, lauter noch als die wütenden Schreie des Ausbilders, er möge doch bitte die Waffe nicht beschädigen.
Die Jail House Rocker stritten sich wiederum um ihre Waffenwahl und konnten sich nicht einig werden, während Tiger aus versehen sein Sturmgewehr verbogen und nun wegen des Rohrkrepierers sein Fell versengt hatte.
Pommie hingegen lehnte an einer Säule und schmollte. Mit ihren Granaten hatte sie mehrmals das eigene Team dezimiert, aber sie sah nicht ein, sich zu entschuldigen. Schließlich war es die Schuld der anderen. Was standen die auch immer an der falschen Stelle.
Blacky lächelte, schüttelte den Kopf und widmete sich wieder ihrer Arbeit.

Vier Tage Später waren die beiden neuen Rekruten angekommen.
Mit Ryo gab es einige Probleme aufgrund der Sprachbarriere, aber zu Muhis Ärgernis verstand er sich umso besser mit Red Sonja.
„Weiss nicht, was sie an ihm findet. Dreckiger Protestant, Möchtegernaufständler!“
Schaf stand auf und reichte Muhi seine Zigarettenpackung. „Ich kann ja mal zu ihm rübergehen und das übersetzen.“
„Nein!“, rief die Kuh erschrocken. „Bist Du verrückt? Der wird ausflippen!“
„Ach...“
„Ja okay. Hast recht. Aber warum verstehen sich die beiden so gut?“
„Sonja versteht sich mit vielen sehr gut.“
„Tatsächlich? Warum nicht mit mir?“
„Keine Ahnung“, hüstelte das Schaf. „Schliesslich spielt es keine Rolle, dass Du ein ungehobelter, machohafter, testosterongebeutelter Schürzenjäger bist.“
Die Kuh verschluckte sich fast an ihrer Zigarette. Wütend verdrehte sie ihren Hals zu Sheep. Der schaute unschuldig zu den Wolken hoch. „Sie ist ein wenig schwierig, nehme ich an...“
Bevor Muhi zu einer nonverbalen Erwiderung ansetzen konnte, beendeten Sonja und Ryo ihr Gespräch und die irische Kuh schlenderte zu den beiden hinüber.
„How’s hangin‘?“ fragte er freundlich. Sheep überlegte, ob er neben den üblichen Implantaten auch einen Translator bekommen könnte. Bis dahin mühte er sich im englischen ab, freundete sich sehr zum Missfallen von Muhi mit Ryo an und zeigte ihm die Weide.
Dabei kamen sie am C-Block vorbei.
Auf einmal war auch MuhKuh recht freundlich zu dem irischen Bruder.
„Was ist auf einmal los mit Dir?“, wunderte sich Sheep. „Vor einer halben Stunde wolltest Du ihn noch zu Schaschlik verarbeiten und nun behandelst Du ihn wie einen alten Freund.“
„Hast Du die Tulpen gesehen?“, fragte Muhi und sabberte mehr als sonst.
„Wie könnte ich die übersehen! Rote, gelbe, da waren sogar welche mit diesem gelbrosa-Ton, die ich so sehr liebe!“
„Genau!“, meinte MuhKuh. „Wir sollten sie uns holen!“
Schaf schüttelte den Kopf. „Das kannst Du vergessen. Sintenel hat mir deutlich gemacht, dass seine Tulpen tabu sind. Außerdem habe ich gehört, er hat sein Beet gesichert. Keine Ahnung, wie wir da vorbei kommen könnten.“
„Ich denke, ich habe eine Idee“, grinste Muhi und zeigte auf Ryo, der friedlich graste. „Wir haben hier einen Guerilla-Kämpfer. Mit seiner Hilfe gelangen wir sicher zum Beet.“
Breit und verschwörerisch lächelnd trabten die beiden Paarhufer zu der Irischen Kuh, die kurz aufschaute,, rülpste und wiederkäute und dann das Schaf und Muhi mit einem misstrauischen Blick bedachte...


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